Süddeutsche Zeitung

"The Meg" im Kino:Grobes Urviech

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Von Nicolas Freund

Mega-Ärger unter Wasser: Bei einer Erkundungstour im Marianengraben haben Meeresforscher einen Megalodon, einen prähistorischen Riesenhai, aufgescheucht. Der Meg, wie er genannt wird, frisst jetzt das Meer vor der chinesischen Küste leer: Fischerboote, Schwimmer, kleine Hunde, Unterwasserstationen - nichts ist vor dem 25 Meter langen Knorpelvieh sicher. Da kann nur einer helfen: Jason Statham als beinharter Unterwasserrambo muss das Raubtier zur Strecke bringen.

Die Faszination des Genres Haifilm erschließt sich nicht unbedingt sofort. Einen Hinweis auf die Gründe für den Erfolg dieser Art von Film könnten Tabellen wie die Liste der Haifilme auf Wikipedia liefern. Die Filme werden dort nicht nur nach Titel, Entstehungsjahr und dem Namen des Regisseurs sortiert, sondern auch danach, welcher Gattung der jeweilige Hai angehört. Die meisten Filmraubfische fallen in die Kategorie "Weißer Hai", seltener sind "genmanipulierte Haie", "mutierte zweiköpfige Haie" und "Geisterhaie".

Der Megalodon hat schon einige Leinwandauftritte zu verzeichnen, zuletzt war er 2015 in "Mega Shark versus Kolossus" zu bewundern. Die Akribie dieser Liste legt nahe, dass es bei Haifilm-Fans einen überdurchschnittlichen Drang zur Ordnung und Katalogisierung gibt. Den befriedigen nicht nur die immer neuen Unterarten von Haien, auch die Filme selbst drehen sich fast immer darum, dass die vom Hai verursachte Unordnung beseitigt werden muss. Und der Hai gleich mit. Um das Meer wieder sicher zu machen. Das ist auch in "The Meg" die unhinterfragte Prämisse allen Handelns.

Der Hai ist unberechenbar und kann jederzeit und ohne Vorwarnung an jedem Ort zuschlagen. Verhandlungen sind nicht möglich und im Kampf gegen ihn ist jedes Mittel recht. Bomben, Harpunen, Gewehre, Gift: Alles darf zum Einsatz kommen, damit auf dem Meer wieder Ruhe einkehrt. Der Hai ist unter den Filmmonster deshalb am ehesten mit dem Terroristen zu vergleichen. Das Tier zu fangen oder in sein natürliches Habitat zurückzubringen, ist keine Option. Dann gäbe es keinen Haifilm. Die Jagd auf den Hai bestätigt das System und dient, wie die terroristische Bedrohung, als Rechtfertigung für jede Maßnahme selbsternannter Beschützer.

Diese politische Parallele vermischt sich im Haifilm unangenehm mit einer unausgelebten Erotik, wenn die ungehobelten Monster aus der Tiefe nach nackten Bikinibeinen schnappen. Man unterstellt dem Hai nicht zu viel, wenn man ihn als Projektionsfläche verdrängter Wünsche identifiziert. Auch "The Meg" zeigt mehr als einmal lieber die untere als die obere Hälfte panischer Frauen.

"The Meg" fletscht ironiefrei die Zähne

Als Retter ist aber stets der muskelbepackte Jason Statham in seinen engen Neoprenanzügen zur Stelle. Er sorgt nicht nur als Haijäger für Ordnung auf den Meeren, als Sittenwächter beseitigt er mit dem Raubfisch auch die voyeuristische Perspektive des Haiblicks. Eine solche Doppelmoral ist zentrales Merkmal vieler Raubfischstreifen - sie verurteilen den Haiblick, den sie selbst erst erschaffen.

Das wichtigste an den Haifilmen und das Geheimnis ihres Erfolgs in den letzten Jahren, ist aber nicht ihre unterschwellige politische Botschaft oder ihr Voyeurismus, sondern ihr oft unfreiwilliger Humor. Spätestens mit der "Sharknado"-Reihe, in der ein Tornado Verwüstungen anrichtet, in dem Haie schwimmen, ist das Genre fast nur noch ironisch zu verstehen.

Regisseur Jon Turteltaub findet mit "The Meg" aber keinen Anschluss an diese filmischen Artgenossen, nicht einmal aus Versehen. Wenn gerade niemand lustig vom Megalodon weggemampft wird, wirkt der Film nur noch verbissen. Dabei wäre genug Zeit gewesen, sich ein paar Fischwitze auszudenken. "The Meg" lag nämlich zwanzig Jahre in der Entwicklungshölle Hollywoods auf Eis, weil niemand Geld in den Riesenfisch investieren wollte. Heute wirkt der Film deshalb endgültig wie ein prähistorisches Urviech.

The Meg , USA 2018 - Regie: Jon Turteltaub. Buch: Dean Georgaris, Jon Hoeber, Erich Hoeber. Kamera: Tom Stern. Mit: Jason Statham, Bingbing Li, Cliff Curtis. Warner Brothers, 113 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2018
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