Süddeutsche Zeitung

Hollywood-Hotel:Leonardo DiCaprio am Pingpong-Tisch

Lesezeit: 2 min

Das Standard Hotel in West Hollywood macht dicht. Damit stirbt ein Stück Star- und Designgeschichte.

Von Andrian Kreye

Breakfast in America: Erdbeeren auf Zimttoast mit Blick auf den Sunset Boulevard. Oder waren es die Huevos Rancheros, die mit der mexikanischen Salsa schon morgens die Geschmacksnerven explodieren ließen? Weil man im Coffee Shop des Standard Hotels in Hollywood sofort schmecken konnte, dass man in Kalifornien angekommen war. Ein paar Tische weiter sah man Lenny Kravitz mit seiner Tochter Zoë. Später Leonardo DiCaprio mit seinen Kumpels, draußen am Pingpong-Tisch. Drüben auf dem blauen Kunstrasen am Pool, war das Cameron Diaz? Und hielt draußen gerade Bill Withers in seinem Pick-up, der einen Gast nach einer Spritztour zurück ins Hotel brachte?

Man kann dieser Tage viele Erinnerungen an Orte aufschreiben, die verschwunden sein werden, wenn die Menschheit wieder reisen darf. Aber das Standard Hotel, das vor wenigen Tagen sehr plötzlich geschlossen wurde, war ein Stück Pop- und Design-Geschichte. Ein Fixpunkt auf der Strecke, wo der Sunset Boulevard für ein paar Meilen zum Sunset Strip wird, wo sich das Hollywood der Noir-Jahre betrank, wo die Karrieren von Bands wie The Doors und Guns'N'Roses begannen, und von Komikern wie Sarah Silverman, Eddie Murphy und Louis C.K. Das Standard war so etwas wie ein Portal in eine Welt, die sonst verschlossen blieb. Auch blutige Anfänger oder neugierige Europäer mussten hier nicht fremdeln.

1999 hatte André Balazs das Standard eröffnet. Balazs hatte in New York den Nachtclub M.K. gemacht und wie viele Disco-Besitzer sein Geld ins Hotelgeschäft gerettet. Zusammen mit DiCaprio, Diaz, Benicio del Toro und zwei von den Smashing Pumpkins hatte er das einstige, ein bisschen schäbige Thunderbird Motel übernommen. Der Designer Shawn Hausman verteilte Flos-Arco-Lampen, Flokati-Teppiche und DJ-Pulte so geschickt über die drei Stockwerke, dass man immer ein wenig das Gefühl hatte, in einem Stanley-Kubrick-Film gelandet zu sein.

Für die Chefin gab es keinen Unterschied zwischen Stars und Gästen

Herz, Seele oder wie man das sonst nennen will, wenn jemand im Trubel zwischen Pool- und Zimmerpartys die Ruhe bewahrt, war die Salesmanagerin Melissa Volpert. Die wusste, dass man Stars wie Gäste und Gäste wie Stars behandelt. Und verstand, dass man das Standard nicht mit Konzernstrategien führen darf. Sondern mit "Zauber und Feenstaub", wie sie, frisch entlassen, gerade noch einmal sehr stoßseufzend erzählt.

Viel erzählt sie natürlich nicht. Ehrensache. Ein paar persönliche Lieblingsmomente hat sie. Als Sir Alan Parker in einer Sommernacht auf der Poolterrasse seinen Pink-Floyd-Film "The Wall" vorführte und alle mitsangen unter den Palmen. Oder als das Team von "Das Leben der anderen" aus Deutschland anreiste, das halbe Hotel belegte, den Oscar bekam und das Standard ein paar Tage Familienfest war. "So viele Karrieren begannen auf dieser Terrasse", sagt sie. Dann war da noch der Nachtclub Giorgio's. Und weil der in Los Angeles einer der wenigen Orte war, die bis vier Uhr morgens aufhatten, war auch der ein Epizentrum des Glücks in der Stadt, die sonst immer früh schläft.

Design-Geschichte hat das Standard auch geschrieben. Balasz eröffnete weitere Häuser in Downtown LA, New York, Miami und London. Aber in West Hollywood hatte er, nun ja, den Standard gesetzt. "Dieses Haus war der Beginn einer Bewegung und hat den Begriff Design-Hotels geprägt", sagt Amar Lalvani, der die Kette heute führt. Diese Mischung aus Design, Nachtleben und Kultur sei neu gewesen. Unzählige Hotels in aller Welt haben das kopiert.

Es war übrigens nicht die Seuche, die das Ende brachte. Sondern die Gentrifizierung. Auch der Sunset Boulevard ist heute Einflugschneise für das Kapital. Der Pachtvertrag für das Grundstück war ausgelaufen. Die Trauer im Netz ist so groß, als wäre ein Superstar gestorben. Schon gibt es Gerüchte, dass Investoren diesen so sehr besonderen Ort retten wollen. Kann das sein? Lalvani meint nur: "Sag niemals nie."

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