Süddeutsche Zeitung

Sexismus im Sport:Glitzern, winken, Männer schmücken

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Die WM-Siegerehrung hat gezeigt: Frauen werden im Sport immer noch hauptsächlich als Dekoration und zu erringende Preise inszeniert.

Kommentar von Kathleen Hildebrand

Natalia Vodianova glitzert. Die Pailletten auf ihrem goldenen Minikleid glitzern, am einen Handgelenk glitzert die goldene Uhr, am anderen ein Diamantarmband. Sie lächelt und winkt und applaudiert, als Philipp Lahm neben ihr ehrfürchtig den WM-Pokal aus der Schatulle hebt. Dass dieser Pokal auch golden ist und vielleicht nicht glitzert, aber doch sehr stark glänzt, ist der Grund für Natalia Vodianovas offensives Goldoutfit. Sie und der Pokal bilden eine Einheit. Aber wenn man entscheiden müsste, wer hier wessen Accessoire ist, dann müsste man wohl sagen: Der Pokal hat die Hauptrolle. Natalia Vodianova ist bloß Staffage.

Philipp Lahm glitzert übrigens nicht.

Während die Welt seit einem Dreivierteljahr über Sexismus und veraltete Geschlechterrollen diskutiert, hat sich im Sport bei der Inszenierung von Weiblichkeit nichts, aber auch gar nichts, geändert. Die Gunst der Frau ist heute zwar nicht mehr das, worum die Männer sich balgen, wie noch bei mittelalterlichen Ritterturnieren. Aber solche Zeremonien erinnern daran, dass die Welt doch noch so ähnlich funktioniert: Wer Erfolg hat, verdient auch eine schöne Frau als Zugabe.

Wenn ein Mann im Sport einen wichtigen Wettbewerb gewinnt, kann er deshalb noch immer davon ausgehen, bei der Siegerehrung von mindestens einer klassisch schönen Frau umarmt und geküsst zu werden. Manchmal wird sie es sein, die ihm den Pokal oder die Medaille überreicht. Oft aber übernimmt das, also den wichtigen Vorgang, wieder ein - meist männlicher - Würdenträger.

Man könnte sich angesichts der Siegerehrung bei der WM 2018 also schon fast über Fortschritte freuen: Immerhin stand mit Kolinda Grabar-Kitarović dieses Mal auch eine Frau mit auf dem Podium, um den Spielern zu gratulieren - was allerdings Zufall ist: Die kroatische Bevölkerung hat sie nun mal zu ihrer Präsidentin gewählt.

Ansonsten war Grabar-Kitarović sehr allein als Frau in offizieller Funktion. Hinter ihr war etwa ein Dutzend schöner Damen in weinroten Stewardessen-Outfits aufgereiht. Die Stewardessen hielten Tabletts in der Hand, auf denen die Medaillen lagen, und lächelten und lächelten. Auch als sich schon längst ein spektakulärer Starkregen auf das Spielfeld ergoss, lächelten sie und wurden dabei sehr, sehr nass.

Es ist nach diesen Bildern in den sozialen Medien viel gelästert worden über den großen schwarzen Schirm, den Bodyguards über Wladimir Putin aufspannten, während Emmanuel Macron und Grabar-Kitarović klatschnass wurden. Die Einzigen auf diesem Podium aber, die außer ihrer Dekorativität keinen Grund hatten, sich dort nassregnen zu lassen, waren diese Frauen in Weinrot mit ihrem unerschütterlichen Lächeln. Ihnen hielt auch dann niemand einen Schirm, als die Staatschefs in der ersten Reihe schon längst einen hatten.

Was soll man nun also fordern, ohne gleich wieder als feministische Spielverderberin zu gelten und sich anhören zu müssen, dass das doch einfach immer schon so war und warum auch nicht, Frauen sind eben das schöne Geschlecht? Vielleicht das: Wenn die Menschen, die Sportgroßveranstaltungen inszenieren, sportlichen Erfolg unbedingt mit Erfolg beim anderen Geschlecht verknüpfen wollen - was am Ende in genau jene unguten Dynamiken führt, die die Metoo-Debatte offengelegt hat - warum sind sie dann nicht konsequent? Bei der nächsten Frauenfußball-WM müssten dann zwölf durchtrainierte Medaillentabletthalter in Slim-Fit-Anzügen (oder Uniformen, die ihren reinen Service-Charakter anzeigen) im Hintergrund stehen - und lächeln. Auch, wenn es regnet.

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