Süddeutsche Zeitung

"Life In The Dark" von den Felice Brothers:Zurück zur Natur

Lesezeit: 2 min

Niemand besingt in diesen trüben Trump-Zeiten das ländliche Amerika so hingebungsvoll wie die "Felice Brothers".

Von Torsten Groß

Als vor einigen Jahren eine Welle von Wiedergängern von The Band und Bob Dylan für ein Folk-Revival sorgten, saßen die Felice Brothers ein bisschen zwischen den Stühlen. Sie waren nicht so glatt wie Mumford & Sons, weniger bereit zum großen Genre-Brückenschlag als die Avett Brothers und so lieblich und gut aussehend wie Fleet Foxes waren die Felice-Brüder und ihre Freunde aus Upstate New York schon gar nicht. Die ehemaligen Straßenmusikanten waren dann auch bei weitem nicht so erfolgreich wie die Konkurrenz.

In diesem Schicksal hat sich die Band über die Jahre aber prächtig eingerichtet. Es erschien Album um Album, beinahe jedes Jahr eines, man konnte den Überblick verlieren. Weitestgehend unbemerkt gelang ihnen etwa 2011 mit dem mit allerlei Elektronischem ergänzten "Celebration, Florida" ein viel zu wenig beachtetes kleines Meisterwerk.

"Life In The Dark" (Yep Roc Records) ist im Vergleich nun wieder ein eher konventionelles Felice-Brothers-Album, aber ein sehr gutes. Abermals wurde - wie bei dieser Band üblich - absolut kein Klischee ausgelassen: Aufgenommen wurden die neuen Songs selbstverständlich auf einer Farm, an einer Stelle hört man sogar gackernde Hühner. Diese bisweilen manieristisch wirkende Form der Abbildung der Produktionsbedingungen ist ein beliebtes Stilmittel der Band. Auf einem früheren Werk war im Hintergrund ein Blitzeinschlag zu hören.

Das digitale Leben in den großen Städten ist ihnen völlig egal

Wer sich allerdings noch etwas Hobo-Romantik bewahrt hat, wer noch einen letzten Rest Streuner in sich hat, muss ihnen das verzeihen. Denn derzeit spielt niemand die Americana so hingebungsvoll und selbstvergessen wie die Felice Brothers. Hier also der Grund, aus dem die Band um den immer ein bisschen gerupft aussehenden Ian Felice so wichtig sind: In einer Zeit, in der Pop-Musik fast ausschließlich das urbane Leben verhandelt, singen die Felice Brothers von vergessenen Dörfern und einsamen Straßen.

Das digitale Leben in den großen Städten ist ihnen völlig egal. Das Amerika der Felice Brothers ist ein verwunschenes Traumland, sie hauchen der strauchelnden Großmacht die alten Mythen und Sagen ein. Eine Art Hexenbeschwörung, denn natürlich wissen die Felice Brothers, dass es dieses Amerika eigentlich nicht mehr gibt - weshalb sie es umso sehnsüchtiger imaginieren.

Hemmungslose Nostalgiker

Geschichten vom Leben unterwegs, aus den Trümmern des amerikanischen Traums, vom "Life In The Dark" eben, gibt es auch hier wieder viele. Aus dem ländlichen Amerika, das immer noch gebeutelt ist von der Immobilienkrise, vergessen und verkauft, und offen für einen Politiker wie Donald Trump. Die Felice Brothers haben Sympathien für die Nöte dieser Leute, aber sie stehen auf der richtigen Seite: "Ain't gonna fight no rich man's war / There's too many boys gone down that road before", singt Ian Felice in "Triump 73" mit seiner fragilen, immer etwas verzweifelt wirkenden, torkelnd-leiernden Geisterstimme.

Die erzählerische und musikalische Kraft der Felice Brothers erreicht auf diesem Album ganz zum Schluss ihren Höhepunkt. Der letzte Song heißt "Sell The House". Die Eltern trennen sich, es gibt keine Hoffnung mehr. Der Hausstand wird aufgelöst, die Mutter darf die Pistole und seinen Anzug behalten, aber "sell the house, sell the car / Take the kids to Jacksonville". Natürlich sind die Felice Brothers hemmungslose Nostalgiker, aber wenige beschreiben die Sorgen des ländlichen Amerikas besser als sie.

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Quelle:
SZ vom 08.07.2016
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