Süddeutsche Zeitung

Playlist zum Bahnstreik:Wenigstens die Musik kommt an

Lesezeit: 2 min

Gestrandet in der Wartehölle des Bahnstreiks? Da braucht es gute Nerven und noch bessere Musik. Eine Playlist für überfüllte Abteile und einsame Bahnsteige.

Von Julian Dörr

Deutschland liegt lahm. Fernverkehr und Teile des Regionalverkehrs wurden aufgrund des Warnstreiks der Gewerkschaft EVG eingestellt, Hunderttausende Reisende hängen fest. Da hilft nur tief durchatmen, Kopfhörer aufsetzen und diese Playlist anhören. Denn stilvolles Warten ist eine der größten Kulturleistungen des Menschen.

1.) Tom Petty & The Heartbreakers: "The Waiting"

Die Hymne aller Ungeduldigen, aller Träumer und Fernbeziehungspaare. Das Ziel naht am Horizont, aber es dauert noch. Tom Petty weiß, im Leben wie auf Reisen gilt: "The waiting is the hardest part."

2.) Blumentopf: "Warten"

So entspannt wie die Münchner HipHopper Blumentopf lässt kaum jemand die Zeit verstreichen. Sie zelebrieren das Warten als einzig sinnvolle Daseinsform des Menschen. Die GDL bringt uns zurück in den Naturzustand.

3.) The Velvet Underground: "I'm Waiting For The Man"

Es wird eine der großen ungeklärten Fragen der Musikgeschichte bleiben, auf wen Velvets-Frontmann Lou Reed in seinem Leben und in diesem Song länger gewartet hat: den Drogendealer oder die New Yorker U-Bahn?

4.) Tocotronic: "Drüben auf dem Hügel"

Deutschlands große Pop-Vorantreiber erinnern in dem Song aus ihrer Jugendparolenphase an die Zeit, als man noch entspannt auf Hügeln in der Sonne rumsitzen konnte. Sollte man mal wieder machen. Warum nicht jetzt, wenn die Bahn eh nicht fährt?

5.) Tom Waits: "Kommienezuspadt"

Der Sperrstundenbarde klingt ja manchmal wie der Schaffner auf dem Expresszug in Richtung Höllenfeuer. In diesem Song aus seiner Adaption von Alice im Wunderland mahnt er teuflisch: "Sei pünktlich!" Ja, verdammt.

6.) Bananarama: "Robert De Niro's Waiting"

Vor der großen Verspätung sind wir alle gleich. Auch ein Hollywood-Star wie Robert De Niro muss warten. Wie in diesem zuckersüßen Girl-Group-Hit von Bananarama. Ein schwacher Trost. Aber das flapsige Mafioso-Video von 1984 verkürzt die Zeit.

7.) Sportfreunde Stiller: "Wie lange sollen wir noch warten"

Der "Angry Young Man" unter den Wartenden. Ein Lebensgefühl in einem Satz von den Sportis in ihrer Sturmphase. Doch mit dem Alter kommt die Gelassenheit, das wussten sie schon 2002: "Wir werden dann nicht mehr die Gleichen sein und irgendwann die Dinge mit anderen Augen sehen."

8.) The Doors: "Waiting For The Sun"

Jim Morrison, mehr Schamane als Musiker, wartet auf die Sonne. Und klingt dabei eher nach okkultischem Hippie-Trip in die Wüste. Dann doch lieber Bratwürste in der Bahnhofshalle.

9.) Bruce Springsteen: "Waitin' On A Sunny Day"

Sonnenanbeter, Teil zwei, aber das komplette Gegenteil. Bruce Springsteen, der Realpolitiker des Pop, arbeitet sich am Trauma seiner Nation ab. Nach 9/11 wollte er so die schwarzen Wolken über der Seele der USA vertreiben.

10.) Jack Johnson: "Sitting, Waiting, Wishing"

Der Surferboy und Gitarrensoftie als Entspannungsguru. Kein Stress, no worries. Einfach mal aussitzen und auf das Beste hoffen. Auch auf dem Bahnsteig.

11.) The Rolling Stones: "Time Is On My Side"

Wem die hawaiianische "Hang Loose"-Mentalität nicht taugt, der findet Gelassenheit im guten, alten Rock'n'Roll. Mick, Keith und die anderen schwofen vor sich hin und haben alle Zeit der Welt. Klar, sind ja auch die Stones.

12.) Nick Cave & The Bad Seeds: "(Are You) The One That I've Been Waiting For"

Der Moment, wenn der Zug endlich einfährt. Diese Müdigkeit in den Knochen, dieses Dröhnen im Kopf. Keine Spur von Freude. Dazu erklingt Nick Cave aus einer der finstersten Ecken der Popgeschichte. The Boatman's Call, schönste Lebensverneinung.

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