Süddeutsche Zeitung

Little Britain:Kein Glück bitte, wir sind britisch

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Fernsehen in England, das bedeutet: noch ein bisschen zynischer sein als im Rest der TV-Welt. Wer dort in einer Spielshow gerade dabei ist, eine Million Pfund zu gewinnen, der sieht schnell aus wie ein Hase, der nicht weiß, von wo die Hunde kommen. Träume zerplatzen, wie sie nur im Königreich zerplatzen können.

Christian Zaschke

Wer in Großbritannien lebt, hat das Glück, zwischen den beiden weltbesten Fernsehsendern wählen zu können, BBC 1 und BBC 2. Neulich ging es auf BBC 1 um den Wert alter britischer Möbel (erfrischend öde) und auf BBC 2 um die Überlegenheit britischer Erbsen (erfrischend irre).

Beim gepflegten Hin- und Herschalten bin ich dann aus Versehen bei einer Gameshow in einem Privatsender gelandet, bei der es darum ging, in verschiedenen Spielrunden jeweils die Farbe Schwarz oder Rot zu wählen. Rund 1000 Leute fingen das Spiel an, wer die falsche Farbe wählte, flog raus. Der Sieger würde eine Million Pfund gewinnen. Ich schaute zu, bis nur noch ein Mann und eine Frau übrig waren, der Mann gewann. Glückwunsch zur Million, dachte ich und wollte zu den überlegenen Erbsen zurückschalten, als der Moderator die LETZTE Entscheidung ankündigte. Der Mann lächelte vorsichtig. Ich nahm den Finger von der Fernbedienung.

Der Kandidat hatte sich gegen 1000 Gegner durchgesetzt, er hatte das Finale gewonnen, und jetzt sah die Show vor, dass er noch einmal alleine spielen musste - Schwarz oder Rot, alles oder nichts.

In den bisherigen Runden konnte der Mann jemanden besiegen, er wählte seine Farbe, die Gegner die ihre. Jetzt gab es keine Gegner mehr, aber noch immer die Wahl - schwarz oder rot. Es ging nicht mehr darum, gegen jemanden zu gewinnen, der spielerische Teil der Veranstaltung war vorbei. Es ging jetzt wirklich ums Geld. Zuvor war der Mann sehr heiter gewesen, er hatte allen anderen Kandidaten immer Glück gewünscht. Hey, dachte man, soll er doch die Million gewinnen.

Das "Schicksalsrad" setzte sich in Bewegung. Eine Million: Vielleicht dachte der Mann an ein Traumhaus im Grünen, an eine Privatschul-Erziehung für seine Kinder oder an das tägliche Lieblings-Mittagessen im kommenden Jahr: 365 blutige Steaks mit Broccoli. Vielleicht dachte er auch an nichts. Jedenfalls sah er aus, wie Menschen nicht aussehen sollten. Er sah aus wie ein Hase, der nicht weiß, von wo die Hunde kommen.

Musik dröhnte, Licht flackerte, das Rad drehte sich, und dann erschien die falsche Farbe, was bedeutete, dass der Mann mit genau null Pfund nach Hause kommen würde. Kein Traumhaus, keine Privatschule, keine Steaks (zumindest nicht 365). Was sagt man so einem Mann? Der Moderator rief: "Na, aber es ist doch ein Trost, so weit gekommen zu sein, oder?"

Als der Moderator seinen Satz vom Trost zu Ende gesagt hatte, brach ihm der Mann ohne Million nicht, wie ich erwartet hatte, die Nase, sondern sagte: "Ja."

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Quelle:
SZ vom 19.11.2011
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