Süddeutsche Zeitung

Ausstellung im Museum Weserburg:Marlboro-Mann trifft auf Einfamilienhaus

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Das Bremer Museum Weserburg stellt die Werke von Peter Piller und Richard Prince gegenüber. Das ist mitunter lustig.

Von Till Briegleb

Es gibt so viele gleiche Bilder in der Welt, warum sich also die Mühe machen, immer neue aufzunehmen? Recyceln könnte doch auch in der Kunst das Modernste sein, was ein kreativer Mensch machen kann, um sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Schont Ressourcen und macht bewusst, was für eine unglaubliche Verschwendung die ständige Wiederholung des immer Gleichen ist. Richtig genutzt ist Recycling sogar ein Quell der Freude. Für Peter Piller, den Hochmeister des seriellen Humors, und Richard Prince, den Marlboromann der Konsumkritik, ist das Altpapier der Bildproduktion jedenfalls schon lange die Vorlage für Spott und Vergnügen. Weswegen eine gemeinsame Ausstellung im Museum Weserburg in Bremen klar Sinn ergibt.

Prince' Marlboro-Cowboys sind längst Ikonen der kritischen Gegenwartskunst

Der zwanzig Jahre ältere Prince (Jahrgang 1949) ist sicherlich ein Pionier der zweiten Aufmerksamkeit. Seit 1977 entwickelte der amerikanische Konzeptkünstler für sich das "Re-Fotografieren", bei dem er Werbeanzeigen und andere inszenierte Abbildungen des Warenfetischismus neu aufnimmt, Schriften entfernt oder den Blickwinkel verändert, um diese bekannten Bilder als Kunst neu zu präsentieren. Womit das Dargestellte, beraubt um seinen werbewirksamen Rahmen, die billige Abgeschmacktheit von Sehnsuchtsklischees zu Tage treten lässt - optimal bei Richard Prince' Wiedergabe von Marlboro-Cowboys in den Achtzigern, die durch sein Bild-Recyceln zu Ikonen der kritischen Gegenwartskunst wurden. Und Prince reich machten.

Peter Piller dagegen sortiert Archive und befreit aus vollkommen unspektakulären Sammlungen großen Witz durch Reihung. 20 000 Luftaufnahmen von Einfamilienhäusern aus den Achtzigern gruppierte er nach dem Auftreten lyrisch gelegter Gehwegplatten, von Wendehammern oder Plumeaus, die aus den Fenstern hängen. Fotografien aus Lokalzeitungen präsentiert er in lustiger Monotonie, etwa wenn er Serien von kommenden Bauplätzen unter dem Titel "Noch ist nichts zu sehen" reiht - eine Zeile, die häufig als Bildunterschrift solcher Nichts-Fotos zu finden ist. Oder er hängt die Vorder- und Rückseiten der DDR-Zeitschrift Armeerundschau in Reihe, vorne immer kampfbereite Soldaten, hinten sozialistische Erotikdarstellerinnen.

Manchmal sieht eine Arbeit von Prince aus wie eine von Piller und umgekehrt

Der Nachteil beim humoristischen Recyceln ist natürlich, dass der Künstler sich irgendwann damit langweilen könnte. Und deswegen zeigt die von Ingo Clauß kuratierte Schau auch Arbeiten der beiden Bildsatiriker, die nicht allein vom Running Joke des Vergleichens leben. Piller etwa hat sich in den letzten Jahren intensiv mit prähistorischen Höhlenzeichnungen befasst, die er so nachzeichnet, dass es wie tachistische Malerei aussieht. Prince dagegen, der schon sehr lange Witzzeichnungen aus Tageszeitungen und dem Playboy nachmalt, hat sich mit dem Zusammenhang von Pornografie und Abstraktem Expressionismus oder globalen Protestbewegungen befasst, die er in teils übermalten Tableaus in ihrer frechen Absurdität wirken lässt.

Und manchmal sieht Prince auch aus wie Piller und umgekehrt. Die Sammlung von Autogrammkarten US-amerikanischer Film- und Pophelden mit den stereotypen Grußformeln von Richard Prince könnte direktes Vorbild für Pillers Häuserreihen sein, wenn diese nicht viele Jahre davor entstanden wären. Und Pillers lustige Bürozeichnungen aus seiner Zeit als Angestellter in einer Werbeagentur würden auch als Prince' "Witz"-Bilder durchgehen, wenn die Sprüche nicht in Deutsch wären, etwa: "Diffus wahrnehmbare Aufbruchstimmung" zu heillosem Gekrickel.

Tatsächlich zeigt diese Ausstellung viele klare Parallelen der zwei Künstler im Neuzeigen einer Welt, die durch mediale Bilder geprägt ist. Eine Arbeit wie Pillers "Nachkriegsordnung", die 35-mal dasselbe Pressefoto von der Bombardierung Bagdads 2003 in unterschiedlichen Presserzeugnissen ausstellt, würde in dem kritischen Reflektieren suggestiver Manipulation exemplarisch in beider Werk passen. Allerdings gibt die große Ausstellung Piller mehr Raum, vom System Abweichendes zu zeigen. Seine assoziative Bildreihe "Möglichkeitssinn" von 2020, deren rätselhafte Motivreihe aus Fachbuchfotografie und eigenen Aufnahmen keine deutliche Ordnung mehr erkennen lässt, oder seine miserablen ornithologischen Fotos von Vögeln in der Wildbahn besitzen eine größere Breite in der formalen Behandlung von Bildproduktion.

Und unter dem Dachgebälk des Museums bringt Piller dann die Wiederholung noch zum Klingen. In dem abgedunkelten Raum erschallen laut und in abgehackter Folge alle Stellen aus den Kantaten von Bach, in denen das Wort "Geduld" gesungen wird. Auch Musik lässt sich also so recyceln, dass dabei Humor entspringt. Ob die Ressource dabei geschont worden ist, darüber wäre Bach vermutlich anderer Meinung als Piller.

Peter Piller - Richard Prince, Weserburg, Museum für moderne Kunst . Bremen, bis 31. Oktober 2021.

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