Süddeutsche Zeitung

Kulturpolitik:Schneller Schachzug

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Augsburgs Kulturreferent Thomas Weitzel benennt einen Wunschkandidaten als künftigen Leiter des Brechtfestivals. Der Berliner Schauspieler und Regisseur Patrick Wengenroth soll Joachim Lang ablösen

Von Stefan Mayr, Augsburg

Bekommt das Augsburger Brechtfestival im kommenden Jahr einen neuen künstlerischen Leiter? Oder darf der bisherige Chef Joachim Lang nach sieben Jahren weitermachen? Bevor am Dienstag der Kulturausschuss des Stadtrats diese Frage beantwortet, hat sich Kulturreferent Thomas Weitzel nun eindeutig positioniert: Er schlägt den Schauspieler, Regisseur und Übersetzer Patrick Wengenroth als künftigen Festivalleiter vor. Der 40-jährige Berliner soll die einwöchige Veranstaltung als "Artist in residence" kuratieren. Wengenroth hat sich am Donnerstag bereits den Regierungsparteien CSU, SPD und Grüne vorgestellt.

Weitzel bezeichnet Wengenroth als "Brechtkenner" und Experten für das "epische Theater". Wengenroth ist Mitbegründer des Berliner Theaterdiscounters, für den er 2003 das Theater-Show-Format Planet Porno entwickelte. Er arbeitete am Staatsschauspiel Dresden, an den Münchner Kammerspielen, am Schauspiel Köln, Volkstheater Wien, Thalia Theater Hamburg und an der Berliner Schaubühne. Wengenroth steht auch als Schauspieler auf der Bühne. Daneben entwickelte er für Deutschlandradio Kultur diverse Hörspiele. Und für den Suhrkamp Verlag übersetzte er Theaterstücke des argentinischen Dramatikers Rafael Spregelburd. Für das Goethe-Institut gibt er theatertheoretische Workshops - zuletzt in Mexiko-City, Bogota und Barcelona. Zurzeit ist Wengenroth als Regisseur an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz tätig. Am Theater Augsburg wird er im März 2017 - unabhängig von seinem Engagement als Festivalleiter - eine Produktion unter dem Arbeitstitel "Die Welt ist: Schlecht! Und ich bin: Brecht!" inszenieren.

Wengenroths Tätigkeit als Festivalleiter soll laut Weitzel zunächst auf 2017 befristet sein. Denn danach tritt der neue Theater-Intendant André Bücker seinen Dienst an - wie das Festival danach aussehen wird, solle dann neu diskutiert werden. Allerdings hat Weitzel die Personalie Wengenroth nach eigenen Angaben mit Bücker abgestimmt.

Weitzel hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Tage Joachim Langs nach all den Jahren als gezählt erachtet. Er spricht von "ausgeschrittenen Pfaden" und "gewissen Redundanzen" und sagt: "Wir sollten uns doch auch wieder mal trauen, was anderes zu machen." Noch deutlicher äußerten sich die Grünen: "Nach sieben Jahren Lang langt's", schrieben sie in einer Pressemitteilung.

Ob allerdings auch die Stadträte dem Wunsch des parteilosen Kulturreferenten nachkommen werden, ist noch offen. Es gibt mächtige Vertreter in CSU und SPD, die wohl lieber am bisherigen Leiter Joachim Lang festhalten wollen. Bei einer internen Sitzung der Regierungskoalition hatten sie sogar schon eingefädelt, dass Lang sein Konzept für 2017 vorstellen soll - in Abwesenheit des Kulturreferenten. Dies wurde jedoch kurzfristig von den Grünen verhindert.

Joachim Lang leitet das Festival seit 2010. Nach respektablen Erfolgen in den ersten Jahren war zuletzt schon die Verlängerung seines Vertrages für 2016 umstritten. Sie wurde nur als Übergangslösung beschlossen. Parallel dazu sollte Kulturreferent Weitzel für die weiteren Jahre ein neues Konzept erarbeiten und einen neuen Leiter finden. Trotz dieser Beschlusslage hatten aktive und ehemalige Stadträte, die Lang nahestehen, zuletzt versucht, ihn für ein weiteres Jahr jenseits der offiziellen Rathaus-Gremien durchzusetzen. Das wäre ihnen auch beinahe gelungen.

Aber nun liegt Weitzels Plan auf dem Tisch, und seitdem ist klar: Wenn der Stadtrat jetzt Langs Vertrag nochmals verlängert, dann wäre der Kulturreferent massiv beschädigt. Die Parteien wollen vor der entscheidenden Ausschusssitzung keinen Kommentar abgeben. Der Streit dreht sich um eine ebenso prominente wie lukrative Stelle. Der Leiter erhielt bislang pro Festival 39 500 Euro - plus 500 Euro monatliche Spesenpauschale.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2016
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