Süddeutsche Zeitung

Klassik:Gegenwelten

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Der Pianist Daniil Trifonov hat sich für sein neuestes Album zwei Klavierkonzerte seines Seelenverwandten Sergei Rachmaninow vorgenommen.

Von Helmut Mauró

Die kühnen Erwartungen werden wie immer übertroffen. Daniil Trifonov kann nicht einfach Klavier spielen, er muss immer große Musik noch größer machen.

Einer seiner Favoriten, das Klaviergenie Sergei Rachmaninow, liefert ihm nicht nur spieltechnisch, sondern auch ästhetisch anspruchsvolle Vorlagen. Man muss durch das eigene Musizieren schon sehr genau begründen können, warum man diese oft in dickflauschigen Salonkissen erstickte Musik heute dringlich findet. Trifonov - das zeigt sein neues Rachmaninow-Album "Departure" wieder einmal eindrucksvoll - findet unter vermeintlichem Plüsch und Plunder eine Zauberwelt, die weit weg erscheint, unwirklich, überirdisch.

Das war sie schon zur Zeit ihrer Komposition, als man entweder daran glaubte, alles sei prima auf der Welt, oder in Verhältnissen gelandet war, wo Erklärungen nicht mehr halfen, wo es der Traum von einer besseren Welt tun musste.

Folglich erklären weder das zweite, noch das vierte Klavierkonzert die Welt - Trifonov hat sie mit dem Philadelphia Orchestra und Yannick Nézet-Séguin eingespielt. Ihr revolutionärer Impuls zeigt stattdessen mögliche Gegenwelten. Dass man sich darin gleich zu Hause fühlt, das macht nicht nur die Komposition, das machen vor allem die Musiker, die sie umsetzen. Das gilt in besonderem Maße auch für die Transkription von Bachs virtuoser E-Dur-Partita, die hier eingefügt ist.

Natürlich wünschte man sich, Trifonov hätte noch früher noch mehr veröffentlicht, vielleicht Aufnahmen seiner zahlreichen, allemal überwältigenden Live-Auftritte mit Werken von Bach, Mozart, Beethoven, Chopin, Schumann, Liszt, Mompou, Grieg, Tschaikowsky, Strawinsky, Skrjabin, Prokofjew, Barber, Berg, Bartók, Copland, Messiaen, Ligeti, Stockhausen, Adams, Corigliano oder Adès. Um nur einige zu nennen.

Oft spielte er mehrere unterschiedliche Programme innerhalb weniger Tage. Aber von den Millionen Noten, davon konnte man sich stets überzeugen, hat er nicht eine gespielt, die ihm nicht die allerwichtigste gewesen wäre. Kein anderer lebender Pianist hat solche musikalische Präsenz. Aber Trifonov weiß die Kategorien Live-Konzert und Studiosituation klug zu unterscheiden. Nur so kann beides auf seine Weise optimal wirken.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2018
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