Süddeutsche Zeitung

Kino:Nicht einheimisch genug?

Lesezeit: 2 min

Warum Iran seinen momentan erfolgreichsten und viel gefeierten Film - Asghar Farhadis "Forushande" - fast nicht zu den Oscars zugelassen hat. Ein politisches Drama.

Von Bahareh Ebrahimi

Nun hat Asghar Farhadi es doch geschafft. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ISNA am Samstag bekannt gab, reicht Iran Farhadis Film "Forushande /The Salesman" bei den Acadmy Awards in Hollywood ein, für das aktuelle Rennen um den Oscar als bester fremdsprachiger Spielfilm. Wirklich überraschend erscheint das auf den ersten Blick nicht - der Regisseur Farhadi hat schon 2012 mit seinem Film "Nader und Simin" in dieser Oscar-Kategorie gewonnen, und "Forushande" konnte bereits im Mai bei den Filmfestspielen von Cannes, wo er zwei wichtige Preise gewann, die Erfolgsgeschichte fortführen.

Bemerkenswert ist diesmal, dass eine breite Front im eigenen Land gegen Farhadi Stellung bezogen hatte. Vor der Verkündung der Entscheidung, die von einer Jury der iranischen Kinostiftung Farabi getroffen wird, versuchten konservative Kommentatoren für einen anderen Film Stimmung zu machen: "Istade dar Qobar"/Im Staub stehend", eine Dokumentation von Mohammad Hossein Mahdavian, in der ein tapferer iranischer Kommandeur des Iran-Irak-Kriegs gefeiert wird. Das Heldenstück wurde beim Fajr-Filmfestival in Teheran als Bester Film ausgezeichnet.

Der Druck war massiv: Um die Jury zu beeinflussen, behaupteten die Konservativen beispielsweise, Farhadis Filme hätten außer der persischen Sprache nichts "Einheimisches " mehr - sie könnten überall gedreht worden sein und wären daher ungeeignet, das iranische Kino zu repräsentieren. Sogar der Kulturminister Ali Dschannati mischte sich ein: "Unserer Ansicht nach wäre es besser," erklärte er, "wenn wertvollere Filme zu den Oscars geschickt werden. ,Istade dar Qobar' entspricht unseren Werten und ist eine passende Wahl."

Die Kinos zeigten "Forushande" frühmorgens und um Mitternacht, so groß war die Nachfrage

Das sogenannte "wertvolle Kino" ist ein Ausdruck, der zur Terminologie der iranischen Machthaber gehört. Gemeint sind damit besonders patriotische Filme über den Iran-Irak-Krieg, aber auch die Filme, die die sogenannte "binären Oppositionen" thematisieren - wie Glaube gegen Skepsis, Spiritualität gegen Materialismus, Tradition gegen Modernität und nichts zuletzt Orient gegen Okzident. Auf welcher Seite diese "wertvollen Filme" jeweils zu stehen haben, ist klar.

Auf welcher Seite das iranische Kinopublikum steht, ist ebenso klar. "Forushande" läuft seit drei Wochen in den Filmtheatern - und die Menschen scheinen sich in darin wiederzuerkennen. Ähnlich wie in Farhadis früheren Filmen geht es um den Alltag der urbanen Mittelschicht in den großen Städten - in diesem Fall um ein Schauspieler-Ehepaar, das in einer Aufführung von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" mitspielt und dann in ein ganz eigenes Drama um Lust und Prüderie, Untreue und Lebenslügen verwickelt wird. Allein am Starttag Ende August wurden in Teheran Tickets für mehr als 250 Millionen Toman (ca. 62 500 Euro) verkauft - ein neuer Kassenrekord. Die Nachfrage war so enorm, dass die Kinobetreiber ein Extraprogramm um sechs Uhr morgens und um Mitternacht anbieten mussten. Auch diese Zusatzvorstellungen waren in kurzer Zeit ausverkauft.

Und tatsächlich tun Asghar Farhadis Filme mehr für das Bild Irans in der Welt, als die Regierung wahrscheinlich ahnt. Jahrzehntelang zeigten Regisseure wie Abbas Kiarostami, Bahman Ghobadi, Majid Majidi und andere, die im Ausland großen Erfolg hatten, vor allem Geschichten über Kinder in entlegenen Gegenden, Kinder in tiefster Armut, seltsame Bräuche auf dem Land, die sogar den Iranern völlig fremd waren, und eine beinah ideologische Feier des einfachen Lebens. Dies änderte sich erst 2009 mit dem Welterfolg von Asghar Farhadis "Darbareye Elly / Alles über Elly". Die jungen Menschen aus der Stadt, die da ein Wochenende am kaspischen Meer verbringen, unterscheiden sich tatsächlich kaum noch von anderen jungen Menschen auf der ganzen Welt - eine Realität, die in Iran und anderswo viele noch immer nicht wahrhaben wollen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3169107
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.09.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.