Süddeutsche Zeitung

Italien:Florentiner Wiedersehen

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Nachdem sie von der Vorläuferregierung abgesetzt wurden oder von sich aus gegangen waren, kehren nun Direktoren aus Deutschland an italienische Museen zurück.

Von Thomas Steinfeld

Die Empörung war groß, auch international, als die Kunsthistorikerin Cecilie Hollberg im Sommer binnen weniger Tage ihr Amt als Direktorin der Galleria dell'Accademia in Florenz aufgeben musste. Sie war eine der Direktoren gewesen, die, nach einer radikalen Reform des italienischen Museumswesens, vier Jahre zuvor nach einer internationalen Stellenausschreibung auf ihren Posten gekommen waren: Die zwanzig wichtigsten Museen des Landes, von den Uffizien bis zu den antiken Stätten in Paestum, sollten nach dem Willen des damaligen Kulturministers Dario Franceschini ökonomisch selbständiger werden, sie sollte sich nach internationalen Standards ausrichten, sie sollten ihre Schätze besser präsentieren und mehr Publikum anziehen. Das Plan ging auf, auch in der Galleria dell'Accademia, dessen berühmtestes Ausstellungsstück der "David" des Michelangelo ist. Doch den nächsten Regierungswechsel überlebte das Projekt nur schwer beschädigt: Ein neuer Kulturminister wollte zum alten Zentralismus zurückkehren, einigen Institutionen wurde die frisch gewonnene Autonomie genommen, darunter der Galleria dell'Accademia, und Cecilie Hollberg verlor binnen weniger Tage ihren Posten.

Der Fall erregte großes Aufsehen, weil sich dahinter die Absicht einer neuerlichen Nationalisierung des italienischen Museumswesens zu verbergen schien: Sechs der zwanzig Direktoren waren Ausländer, und gegen sie, so meinte man, sollte die Reform der Reform speziell gerichtet sein. Die Direktoren in Mantua und Urbino kehrten in ihr Heimatland zurück, erkennbar enttäuscht.

Der Verdacht, es handele sich bei der neuerlichen Reform um einen Akt des nationalen Chauvinismus, erwies sich zwar als eher unbegründet: Die Direktion eines großen Museums ist in Italien ein politisches Amt, und ein neuer Kulturminister nimmt sich die Freiheit, sein leitendes Personal selbst auszusuchen. Einige Ausländer blieben also Direktoren, so der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt in den Uffizien oder der Brite James Bradburne in der "Pinacoteca di Brera" in Mailand. Doch bedurfte es der Rückkehr Dario Franceschinis als Kulturminister, um den Museen, die ihre relative Selbständigkeit verloren hatten, die Autonomie zurückzugeben: Ein halbes Jahr musste vergehen, bis Cecilie Hollberg nun die gründliche technische Erneuerung der Accademia, mit der sie kurz vor ihrem erzwungenen Abschied begonnen hatte, wieder aufnehmen kann.

Ihre Rückkehr ins Amt verbindet sich mit einer Ausweitung des Autonomiekonzepts auf dreizehn weitere Museen, darunter die Galleria Borghese in Rom und die Biblioteca Girolamini in Neapel, deren Buchschätze vor einigen Jahren von ihrem damaligen Direktor geplündert worden waren. Auch sie sollen von einer Bewegung profitieren, die den nunmehr ökonomischen selbständigen Museen in den Jahren von 2015 bis heute etwa ein Viertel mehr Besucher, ein Drittel mehr Einkommen und vor allem eine deutliche modernere Infrastruktur schenkte. Ferner sollen nun ein digitales Archiv für alle staatlichen Museen in Italien eingerichtet und eine zentrale Arbeitsstelle für den Schutz der Kunstschätze vor Naturkatastrophen geschaffen werden.

Unklar ist unterdessen, was mit den mehr als vierhundert Museen geschehen wird, die sich ebenfalls in staatlichem Besitz befinden, aber nicht Gegenstand der Reform sind: Denn offensichtlich geht mit der Politik der Autonomie und der Modernisierung auch eine Zentralisierung des Museumswesens einher, das bislang von starken Bindungen an die Region geprägt gewesen war. Das sizilianische Staatsarchiv in Palermo jedenfalls, in einem ehemaligen Konvent neben der Kirche Santa Maria alla Catena untergebracht, würde man gern so bewahrt sehen, wie es ist: als einen Ort der Vergangenheit, an der jeder Versuch einer Digitalisierung scheitern muss.

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SZ vom 31.01.2020
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