Süddeutsche Zeitung

Kinderbuchmesse in Bologna:An Büchern festhalten

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Nach zwei Jahren findet die Internationale Kinderbuchmesse in Bologna wieder statt. Wie geht das, zwischen Pandemie und Krieg?

Von Roswitha Budeus-Budde

Ein ernster Mann schaut vom Rathaus auf Bolognas Piazza Maggiore herunter, von einem Plakat- es ist Pier Paolo Pasolini, der Schriftsteller, Filmregisseur und Autor, der am 5. März vor 100 Jahren in Bologna geboren wurde. Die Stadt feiert, mit vielen ausländische Besuchern, denn endlich, nach zwei Jahren findet wieder die Internationale Kinderbuchmesse statt. 1061 Aussteller aus 90 Ländern sind nach Bologna gekommen. Ihre Präsenz ist ein Zeichen der Hoffnung, in den Zeiten der Pandemie, des Kriegs in der Ukraine.

"Ich fühle mich verantwortlich für meine ukrainischen Autoren und Verlage."

Begegnungen sind wichtig, gerade in den Kinder- und Jugendmedien, über die rein geschäftlichen Dinge hinaus, das war auch in der deutschen Sektion zu spüren. Die deutschen Verlage hatten in diesem Jahr, bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel Bayern, auf eigene Stände und Ausstellungen verzichtet und waren mit einem deutschen Gemeinschaftsstand vertreten, organisiert von der Frankfurter Messe. Durch diese ungewohnte Nähe entwickelten sich neue Kooperationen - besonders bei den Überlegungen, wie man die Ukraine unterstützen könnte. Die war zwar mit einer kleinen Buchauswahl am Eingang vertreten, aber der Messestand fehlte, wie auch ein russischer.

"Ich fühle mich verantwortlich für meine ukrainischen Autoren und Verlage", sagt Daniela Filthaut, Verlegerin bei Gerstenberg. Sie wird mit anderen Kollegen Buchaktionen für die Flüchtlingskinder starten. Die Arbeit auf dieser Messe bedeutet große Motivation: "Die Stimmung ist konzentriert, das Programm der Messe zum Teil abgespeckt. Wir halten uns alle an Büchern, an der Kunst und Kultur fest, das hat schon gegen Corona geholfen. Mit den Künstlern zu arbeiten, Projekte umzusetzen, Ideen zu entwickeln, ist ein Glück."

Wie früher sind auch wieder die jungen Illustratoren da, die mit ihren Bildermappen an den Verlagstischen anstehen, in der großen Eingangshalle mit Visitenkarten und kleinen Illustrationsproben auf sich aufmerksam machen.

Denn gerade für Einsteiger waren die letzten zwei Jahre mit ihren Corona-Einschränkungen sehr schwierig. "Es fehlten die Veranstaltungen, diese Bücher wurden einfach nicht gesehen und auch vom Buchhandel nicht angeboten, man braucht dafür einen gut gelaunten Buchhandel", sagt Susanne Koppe, die in ihrer Agentur besonders junge Illustratoren fördert. "Während das traditionelle Geschäft innerhalb Europas bei den Kinderbuchverlagen gut läuft, haben kleinere Verlage ohne die typischen Mischprogramme den Aufschwung nicht so mitgemacht." Koppe spürt eine gewisse Destabilität und auch Improvisation bei Terminen und Veranstaltungen, weil doch manches coronabedingt plötzlich abgesagt wurde. Die fachliche Arbeit läuft oft über die digitale Kommunikation, aber die ersetzt nicht die Nähe und "die Inspiration durch den Kontakt mit der Szene".

Die Ausstellungen waren in diesem Jahr besonders gezielt zusammengestellt und geschickt platziert und gehängt. Von der großen internationalen Illustratorenshow mit 78 ausgewählten Künstlern aus 92 Ländern bis zu kleineren Ausstellungen zu Comics oder afrikanischer Illustration. An einfachen Holzpaneelen, ohne jeglichen Orient-Prunk, hatte das Gastland, das Emirat Asch-Schardscha, seine Exponate ausgestellt. Auch der große Messestand dieses kleinsten Emirats war eher schlicht und fiel durch eine Musik- und Tanztruppe auf, die im Kaftan arabische Tänze aufführte.

Jochen Weber aus der Internationalen Jugendbibliothek München hatte sich drei Jahre mit dem Projekt arabischsprachige Kinderbücher beschäftigt. "In den letzten Jahren wurde hier viel Geld in Kultur und Literatur gesteckt - das Emirat wurde mit dem Unesco World Book Capital ausgezeichnet. Es gibt einen großen Kinderbuchverlag, Kalimat. Er veröffentlicht auch Bilderbücher, nicht nur von arabischsprachigen Autoren, auch von europäischen. Da das Emirat selbst nicht auf eine eigene Kulturgeschichte zurückgreifen kann, versucht es, Künstler an sich zu binden, oft sind es Libanesen."

Einer der Höhepunkte war die Verleihung des Astrid Lindgren Memorial Award an die schwedische Illustratorin Eva Lindström. 1952 geboren, hat sie die jüngere Künstler-Generation mit ihren Bildern geprägt. Warum blieb sie in Deutschland bislang so unbekannt? Schon bei der Präsentation während der Laudation auf der Messe wurde deutlich, dass ihre Illustrationen mit dem flächigen, oft infantilen Stil nicht dem konventionellen Bilderbuch entsprechen. "Ihre vagen, offenen, nicht eindeutig zu erkennenden Figuren haben kein Identifikationspotential und lösen Irritationen aus", bestätigt Ines Galling von der Internationalen Jugendbibliothek diesen Eindruck. Vielleicht ist jetzt die Zeit, die Illustrationskunst von Eva Lindström auch in Deutschland zu entdecken.

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