Süddeutsche Zeitung

Horrorfilm:Es wächst in mir

Schwanger in São Paulo: der brasilianische Thriller "Gute Manieren" ist zwar gruselig, setzt aber voll auf die Kraft der Mutterliebe. Das hebt ihn aus dem Genre heraus.

Von Tobias Kniebe

Alles beginnt wie ein typisch lateinamerikanisches Sozialdrama. Die Krankenschwester Clara (schwarz, arm, von Isabél Zuaa mit sorgenvoller und dienender Mimik gespielt) zieht zu Ana (weiß, reich, hochschwanger) in ein Luxus-Hochhaus in São Paulo.

Diese Ana (Marjorie Estiano) sucht Hilfe bei Geburt und Kinderpflege, und bald zeigt sich, dass ihre vermögende Familie sie verstoßen hat - wegen Sex mit jenem Fremden, der sie geschwängert hatte. Die Frauen kommen sich schnell näher, und Anas Mutterschaftsgelüste beschränken sich nicht auf saure Gurken - bald bricht lesbisches Begehren hervor.

Na gut, denkt man sich da, dann hat das Kind in "Gute Manieren" bald zwei tolle Mütter. Aber dann wird Ana von einer Art Somnambulismus befallen und zeigt eine wachsende Gier nach Blut. So ahnt man, dass es bei dieser queeren Romanze nicht bleiben wird - muss als Kritiker aber schweigen, um die faszinierenden Entwicklungen nicht zu verraten, die als Nächstes eintreten.

Die Topografie von São Paulo, zwischen hypermodernen Shopping Malls und archaischen Favela-Gefühlen, spielt eine große Rolle in diesem schönen Film - genauso wie das universale, bittersüß beschworene Gefühl der Mutterliebe. Beides zeigt, dass es dem Regie-Duo Marco Dutra und Juliana Rojas um mehr geht als um simple Genre-Motive aus dem Fundus des Horrorfilms.

As boas maneiras , BR/F 2017 - Regie und Buch: Marco Dutra, Juliana Rojas. Kamera: Rui Poças. Schnitt: Caetano Gotardo. Mit Isabél Zuaa, Marjorie Estiano, Miguel Lobo. Salzgeber, 136 Min.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2018
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