Süddeutsche Zeitung

Elstner-Talkshow:Abschiedstournee mit Böhmermann

Lesezeit: 4 min

In einer neuen Sendung spricht Frank Elstner mit Jan Böhmermann über den Abschied von der Bühne, Fernsehen und "Wetten,dass..?" Das ist vor allem eines - unterhaltsam.

Von Theresa Hein

Gleich zu Beginn ein Vorwurf vom Gastgeber, einer, der sitzt, bevor der Gast es sich gemütlich gemacht hat: "Sie haben mich ja mal beerdigt", sagt Frank Elstner in seiner neuen Youtube-Sendung Wetten, das war's..? zu Jan Böhmermann und spielt damit auf eine Comedy-Sendung aus dem Jahr 2014 an, in der Böhmermann Elstners Beerdigung inszenierte. Mit diesem Einstieg macht Elstner klar, worum es jetzt eine Stunde lang gehen soll. Um Jung und Alt und um etwas, dass sie beide maßgeblich geprägt haben: das Fernsehen.

Frank Elstner, der in der ZEIT gerade seine Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht hat, ist für das deutsche Fernsehen in etwa das, was Alexander Graham Bell für die Telefonie war: der Erfinder eines Produkts, das so branchen- und generationenprägend ist, dass es, zumindest bis vor einigen Jahren noch jedes Kind kannte. Er hatte die Idee zu Wetten, dass.?, der Sendung, die Thomas Gottschalk in den Jahrzehnten, nachdem er sie von Elstner übernahm, zu diesem kaugummizähen aber doch unverzichtbaren Jour Fixe im Familienkalender machte. Dabei war die Sendung nur ein kurzer Teil in der langen "Ich spreche wie ein Mensch mit Menschen"-Talk-Karriere Frank Elstners.

Jetzt hat Elstner sich für seine "Abschiedstournee" - das Wort fällt häufiger in der Sendung und entfaltet in seiner deprimierenden Redundanz eine Wirkung wie die Erinnerung an den bevorstehenden Zahnarztbesuch - Jan Böhmermann eingeladen, und das stellt sich nicht nur wegen dem offensichtlichen Angebot an die jüngeren Generationen als gute Entscheidung heraus. Selten hat man wohl so viel über Böhmermann gelernt, wie in dieser Sendung, auch, wenn er die Fragen Elstners nach dem Privatleben entschieden zurückweist.

Auch Jan Böhmermann hat ein Ego

Was ein melancholischer, ermüdender Vergleich zwischen dem Fernsehen früher und dem Fernsehen heute sein könnte, wird (obwohl die gegenseitige Beweihräucherung zunächst etwas nervt) eine Generationenverständigung mit kleinen Einblicken in die Persönlichkeit, die hinter der Kunstfigur Böhmermann steht. Als Böhmermann sich beispielsweise darauf rausreden will, dass das Neo Magazin Royale eine reine Teamarbeit sei, und Elstner ungläubig sagt: "Aber Sie geben dem doch eine Richtung!", gibt auch Böhmermann zu, dass er ein Ego besitzt. Überraschend ist das nicht. Aus seinem Mund hört man es trotzdem gern.

Die beiden sprechen von Michael Jackson, #metoo, über Kunst und, das muss sein, Böhmermanns Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten aus dem Jahr 2016. Elstner will wissen, ob Böhmermann von "Frau Merkel" enttäuscht war, etwas Persönliches wird doch aus diesem Jungspund rauszuholen sein, aber Böhmermann reagiert kühl: "Was heißt Frau Merkel?". Wieder verweigert sich Böhmermann der persönlichen Ebene, auf die Elstner hinauswill, diesmal, indem er über sich und seine Generation reflektiert und fast altväterlich von Institutionen erzählt, von denen es gut sei, dass es sie gäbe. Hier macht Böhmermann wieder den Graben auf zwischen sich selbst, der von sich sagt, dass er ungern in die Sauna geht, und Böhmermann, der auch bereit wäre, sich für das Neo Magazin Royale nackt auszuziehen ("Wenn dann entsprechende Stellen verpixelt werden"). Ganz nebenbei lässt Böhmermann auch noch zwei Cliffhanger fallen: Einerseits, dass die Pointe zum Schmähgedicht erst noch kommt ("wenn dass alles so läuft, wie wir uns das vorstellen"). Und andererseits, dass er sich auch vorstellen könnte, eine Art reformiertes Wetten, dass..? zu moderieren. Was man sich darunter vorstellen soll, dazu sagt Böhmermann allerdings nichts.

"Haben Sie nicht zugeguckt oder weggeguckt?"

Elstner lässt seinen Gast sich so darstellen, wie er sich selbst haben will. Er geht so weit zurück, dass Böhmermann gar nicht anders kann, als ihm entgegenzukommen. Das Talkverhältnis dreht sich mehrmals um, zum Beispiel, als es um #metoo geht, ein Thema, das leider nur angerissen wird. Als Elstner sagt: "Ich habe da nicht zugeguckt, wie die Kollegen mit Frauen umgegangen sind", und Böhmermann, alles andere als witzig, fragt: "haben Sie nicht zugeguckt oder weggeguckt?". Da wird es wieder sehr spannend, und Elstner wechselt leider zu schnell das Thema. Ein längerer Vergleich der Fernsehlandschaften vor und hinter den Kameras früher und heute, ein genauerer Blick dahin, was sich denn nun verbessert hat, und was nicht, hätte sich gelohnt.

Am Ende weiß man nicht ganz, was diese Sendung eigentlich ist. Ein Abschiedsangebot an Fans von Frank Elstner jedenfalls, von dem man manchmal nicht sagen kann, ob er jetzt nickt, weil er Böhmermann zustimmt, oder weil er wegen der Parkinson-Erkrankung zittert. Und eine Sendung, die funktioniert, weil Elstner sich Gäste einlädt, nicht, um mit ihnen in Melancholie zu versinken, sondern weil er selbst die Unterhaltung mit ihnen spannend findet. Das trägt und ist nicht nur klug, sondern auch: sehr, sehr unterhaltsam. Es gelingt aber vermutlich vor allem deswegen, weil Elstner etwas perfektioniert hat, was die wenigsten Menschen auf Fernsehbühnen können (auch bei Böhmermann lässt sich nur darüber spekulieren). Elstner hört zu, er nimmt sich zurück, er weiß, dass seine Sendung immer nur so groß ist, wie der Raum, den er seinem Gast gibt.

Am Donnerstagabend wird Frank Elstner bei Markus Lanz über seine Parkinson-Erkrankung sprechen, denn wenn Elstner geht, dann geht er orchestriert, das weiß man jetzt. Gestern die Bekanntgabe der Krankheit in der ZEIT, dann die neue Sendung, dann Lanz. Man erwischt sich nach dieser Sendung bei der Frage, ob Elstner die Wette, die er seiner neuen Sendung als Motto überschrieben hat, Wetten, das war's..?, nicht doch verlieren könnte. Ob nicht doch der Underdog unverhofft Recht bekommt, so wie es bei Wetten, dass..? manchmal war. Der ewige Elstner, dem immer etwas Neues einfällt, dem es sogar mit 77 Jahren noch gelingt, eine fast altersunabhängig unterhaltende Sendung zu schaffen.

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