Süddeutsche Zeitung

Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

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Eine junge Schwedin will Pornostar werden und lernt in LA das Fürchten, Kristen Stewart als Lady Di fühlt sich gefangen in der Royal Family. Die Starts der Woche in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

Égalité

Anna Steinbauer: Die 14-jährige Leila wacht nach einer harmlosen Mandeloperation auf und ist blind. Ärztepfusch und Ungleichbehandlung aufgrund ihrer migrantischen Wurzeln? Das vermutet der verzweifelte Vater Attila gleich und begibt sich auf einen so emotionalen wie von Testosteron gesteuerten Wut- und Rachefeldzug. Kida Khodr Ramadan entwirft mit "Égalité" das bewegende Psychogramm eines Familienvaters, der durch einen Schicksalsschlag gezwungen wird, seine eigenen, orientalisch geprägten Vorstellungen von Familie zu hinterfragen. Ein toll besetztes, feinsinnig inszeniertes Kammerstück, bei dem nur die Streichermusik etwas zu dick aufgetragen wird.

Gloria Mundi - Rückkehr nach Marseille

Fritz Göttler: Ein kleines eben geborenes Mädchen - und Robert, ein alter Mann, sein Großvater, eben aus dem Gefängnis entlassen, wo er wegen Totschlags eine Strafe verbüßt hat. Sie gehören zu einer Familie, die auf verschiedenen Ebenen, nicht nur im Guten, miteinander verbunden ist, es geht um sozialen Druck und Aufbruch, um Streik und Ehebruch. Ein gefühlvolles kleines Oratorium der Solidarität aus Marseille von Robert Guédiguian. Das Elternpaar der Familie sind seine Stammschauspieler Ariane Ascaride und Jean-Pierre Darroussin. Auf mystische Weise schließt sich der Film auf ein versöhnliches Ende zu, dafür sorgt Gérard Meylan als Großvater Daniel. Er schreibt Haikus: um schöne Momente zu finden und festzuhalten für die Ewigkeit.

Hotel Transsilvanien: eine Monster Verwandlung

Josef Grübl: "Die Transformation mutiert immer weiter." Solche Sätze hört man derzeit nicht nur von Menschen in Virologen-Gestalt, sondern auch von Monstern in Akademiker-Aufmachung. Aber so groß sind die Unterschiede nicht, zumindest nicht im vierten Teil dieser Animationsfilmreihe. Hier verwandelt sich Graf Dracula in einen mittelalten Mann mit Plauze und Halbglatze, während sein menschlicher Schwiegersohn zu einem immer wilder werdenden Monster mutiert. Hört sich gruselig an, zielt aber auf ein kindliches Publikum - erwachsene Zuschauer dürften bei all dem Gezappel nervös werden. Die Trickfilmspezialisten Derek Drymon und Jennifer Kluska durften erstmals Regie bei einem Spielfilm führen. Dieser ist nicht im Kino zu sehen, sondern bei Amazon Prime.

Lunana - Das Glück liegt im Himalaya

Sofia Glasl: Der junge Lehrer Ugyen will nach Australien, um Musiker zu werden, doch die bhutanische Regierung versetzt ihn in den entlegensten Himalaya, um dort zu unterrichten. Strom gibt es hier nur bei Sonnenschein, Internet oder Handyempfang gar nicht. Im zweiten Oscar-Beitrag, den das südasiatische Land Bhutan bisher überhaupt eingereicht hat, umschifft Filmemacher Pawo Choyning Dorji esoterischen Kitsch mit liebenswürdigen Figuren und feinem Witz. Herausgekommen ist ein Wohlfühlfilm im besten Sinne, der danach fragt, was für die junge Bevölkerung bleibt in einem Königreich, das von der beginnenden Digitalisierung gespalten zu werden droht.

Pleasure

Philipp Stadelmaier: Eine junge Schwedin (Sofia Kappel) kommt nach Los Angeles, um in der Porno-Industrie durchzustarten. Ninja Thybergs Debütfilm verzichtet auf jegliche Psychologisierung und dekonstruiert dafür (vielleicht etwas zu überbetont) die Ästhetik der Pornographie: Jegliches "Vergnügen" bleibt künstlich, inszeniert, reine Pose. Ein starker Film über eine fast körperhorrorhafte Zurichtung der Körper und das Verschwimmen der Grenze zwischen Konsens und Erniedrigung.

Scream

David Steinitz: Teil fünf der Horrorfilmsaga schämt sich wohl für seine Fortsetzungszahl und heißt einfach nur "Scream", so wie das schöne Original von 1996. Die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett haben die Reihe vom verstorbenen Horrorguru Wes Craven übernommen und führen sie nach seinem Schema der Splatterkomödie fort. In der Kleinstadt Woodsboro werden weiterhin Teenager von einem Maskenmörder filetiert, was sie nicht davon abhält, lustige Sprüche zu reißen. Das Ergebnis kann man am besten mit einem anderen Kulturgut der Neunzigerjahre vergleichen: der Schaumparty. Einmal war für alle geil - aber fünf Mal ist wirklich nur noch was für Fetischisten.

Spencer

Fritz Göttler: Manchmal erschrickt man fast, wenn Kristen Stewart in Kostüm und Frisur, Haltung und Blick tatsächlich aussieht wie Prinzessin Diana auf den Bildern, die man aus den Illustrierten kennt. Sandringham, der Landsitz der britischen Königin, Weihnachten 1991: drei Tage, an denen die Ehe Dianas mit Kronprinz Charles endgültig kaputtgeht, und ihre Zukunft. Der chilenische Filmemacher Pablo Larraín inszeniert Stewart zwischen Ikonografie und Pathos, eine traurige Alice hinter den Spiegeln, verloren in ihrem Kampf gegen die hermetische Familie ihres Mannes und den Gespenstern und Vogelscheuchen ihrer Vergangenheit ... und der ganz Englands dazu.

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