Süddeutsche Zeitung

Umstrittenes Denkmalschutzgesetz:Denkt mal

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In Nordrhein-Westfalen sollen künftig die Gemeinden selber entscheiden, ob historisch wertvolle Gebäude saniert, umgebaut oder abgerissen werden. Wer davon profitiert?

Von Laura Weißmüller

Solche Bilder sieht man selten: demonstrierende Denkmalpfleger, die sich nicht vor ein Gebäude stellen, weil dessen Abriss droht, sondern die sich vor einen Landtag positionieren, weil sie ein neues Denkmalschutzgesetz verhindern wollen. So geschehen gerade in Düsseldorf. "Denkmalsturz statt Denkmalschutz" stand auf ihren Protestschildern oder "Denkmalschutz als Etikettenschwindel".

Es war der letzte Versuch - nach monatelangen Appellen, einer Petition mit mehr als 24 000 Unterschriften und der " Düsseldorfer Erklärung" des neu gegründeten Denkmalschutz-Bündnisses NRW, zu dem sich dreizehn Initiativen zusammengeschlossen haben, das bestehende Denkmalschutzgesetz nicht abzuschaffen, sondern die Diskussion darüber zu vertagen. Vergeblich. Mit einer Stimme Mehrheit beschloss der Düsseldorfer Landtag in der letzten Plenarsitzung der Legislaturperiode das von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung (CDU), eingebrachte neue Denkmalschutzgesetz.

Darin sind die terminologischen Änderungen zwar nur gering, aber die Auswirkungen könnten gravierend sein, weil sie eine fundamentale Machtverschiebung bedeuten: Künftig sollen nicht mehr unabhängige Denkmalschutz-Experten in NRW darüber entscheiden, ob und wie ein historisch wertvolles Gebäude saniert, umgebaut oder abgerissen werden kann, sondern Angestellte einer Gemeinde. Die müssen dafür nicht mal wissenschaftlich ausgebildet sein. Das legt die Vermutung nahe, dass Gebäude schneller und lukrativer vermarktet werden sollen. Was nicht selten deren Abriss bedeuten könnte: Vor allem Nachkriegsbauten könnten in Zeiten steigender Grundstückspreise betroffen sein.

Warum Scharrenbach das Gesetz "übers Knie" brach, wie das der Grünen-Abgeordnete Johannes Remmel formulierte? Unklar. Ziel sei es jedenfalls, eine "praxisorientierte Weiterentwicklung des nordrhein-westfälschen Denkmalrechts zu erreichen" und damit "den Anforderungen an ein modernes und zukunftsorientiertes Denkmalschutzrecht" zu entsprechen. Auch sollen "die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit" mehr berücksichtigt werden.

"Das Beste, was einem Denkmal passieren kann, ist Nutzung", sagt denn auch einer der wenigen Befürworter des neuen Gesetzes, der baupolitische Sprecher der CDU, Fabian Schrumpf. Doch wer sich das Gesetz genauer anguckt und mit Denkmalschutz-Experten spricht, der kann erahnen, wer von dem neuen Gesetz profitieren könnte. Um es vorwegzunehmen: Die Denkmale sind es nicht.

Tatsächlich hat es keinerlei Notwendigkeit gegeben, das 42 Jahre alte Denkmalschutzgesetz in NRW zu verändern. Das hatte im Vorfeld eine Evaluation ergeben. "Eigentlich sind alle mit dem Verfahren zufrieden", sagt Steffen Skudelny, Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Dieses sieht bislang so aus, dass, wenn ein Denkmal saniert, umgebaut oder abgerissen werden soll, der Eigentümer mit der unteren Denkmalschutzbehörde, die in der Kommune angesiedelt ist, Kontakt aufnimmt. Diese holt sich dann Rat von einem der beiden Landesdenkmalämter. Denn anders als im Landesdenkmalamt, wo ein Team aus Experten arbeitet, sieht es auf kommunaler Ebene anders aus. "Dort sitzt in den seltensten Fällen jemand vom Fach", sagt Skudelny. In kleineren Gemeinden muss dann schon mal der Standesamt-Beauftragte sich auch mit dem Denkmalschutz befassen.

Laut dem Gesetz, das am 1. Juni in Kraft tritt, soll sich die kommunale Denkmalschutzbehörde nur noch die Argumente der Denkmalfachbehörde "anhören", statt die Entscheidung "im Benehmen" zu treffen. Was das bedeutet, hat schon 2021 Milena Karabaic, die Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland, benannt: "Durch die Schwächung der Fachleute schwächt man den Schutz des Denkmals." Zumal auf kommunaler Ebene dann auch mal ein Bürgermeister entscheiden könnte, ob das denkmalgeschützte Gebäude eines Parteifreundes abgerissen werden darf.

Wohnungsbau, Klima und Barrierefreiheit werden schon lange berücksichtigt

Wer den schnellen Gewinn sucht, wird ihn in Denkmalen nicht finden. Was nicht bedeutet, dass sich diese gegen eine zeitgemäße Nutzung sperren würden. "Der größte Feind des Denkmals ist das Vorurteil", sagt Skudelny, der sich noch immer erschüttert zeigt, angesichts "so viel geballter Vorurteile und Ahnungslosigkeit" bei Befürwortern des neuen Gesetzes. "Ich kenne kein einziges Beispiel, wo aufgrund einer Denkmalschutz-Auflage eine Wohnnutzung unmöglich war", sagt er.

Wie gut das geht, den Ansprüchen des Denkmalschutzes zu genügen und den Anforderungen an heutige Wohnstandards, zeigt etwa die mit dem Kölner Architekturpreis 2021 ausgezeichnete Naumannsiedlung in Köln. Die Wohnsiedlung aus den Zwanzigerjahren wurde nicht nur umfassend saniert, sondern auch verdichtet - statt 450 gibt es dort nun 611 Wohnungen - trotzdem wurde der Charakter des Quartiers erhalten.

Neuen Wohnraum in Denkmalen zu schaffen, auch in Industriebauten oder in Kirchen, dagegen spreche gar nichts, solange möglichst viel von den Spuren der Geschichte bewahrt wird, sagt Skudelny. Das könne maßgeblich bei der Bekämpfung von Wohnungsnot helfen. Was aber im Sinne des Denkmalschutzes nicht ginge: "Investoren, die meinen, vom Denkmal nur profitieren zu können." Das Prinzip Luxus-Sanierer will von alten Gebäuden nur die Fassade übrig lassen und die Immobilie hochpreisig vermarkten.

Ein mittelalterlicher Dachstuhl trägt nicht immer eine moderne Solaranlage

Dass die Neuerung dem Klima helfen soll, überzeugt nicht. Nicht nur, weil es mit 1,5 Prozent denkmalgeschützten Gebäuden in NRW um wenige Bauten geht. Sondern vor allem, weil die energetische Sanierung längst auf der Denkmalschutz-Agenda steht. Viele historische Gebäude kann man so ertüchtigen, dass sie weniger Energie brauchen, mit einer neuen Lehmputzschicht zum Beispiel. Klar trägt ein mittelalterlicher Dachstuhl nicht unbedingt eine Solaranlage. Manchmal spricht auch die Ausrichtung des Daches dagegen. Aber das heißt noch lang nicht, dass alte Gebäude schlecht fürs Klima sind. Im Gegenteil. Deren Energiebilanz ist sogar in der Regel besser als die von Neubauten, wenn man die Energie miteinrechnet, mit der das Gebäude erstellt und entsorgt wird. "Wenn man abreißt und neu baut, dauert es 125 Jahre, bis sich ein Neubau amortisiert", sagt Skudelny.

Rätselhafterweise haben Kirchen im neuen Denkmalschutzgesetz einen Sonderstatus. Womöglich auch aus finanziellen Gründen, denn gerade in NRW - dem Land von Kirchenbauern wie Gottfried Böhm, Rudolf Schwarz und Emil Steffann - kämpfen Kirche mit sinkenden Mitgliederzahlen und Einnahmen. Nicht selten dürfte dort der Wunsch, Gebäude loszuwerden und Grundstücke zu vermarkten, vorhanden sein. Da kommt das neue Gesetz gerade recht.

Für die Übergangszeit befürchtet Skudelny ein Chaos, weil keiner mehr wisse, was nun gelte und wer zuständig sei. Fatal sei auch die Signalwirkung. Denn wenn das größte deutsche Bundesland suggeriert, dass man den fachlich gut begleiteten Denkmalschutz abschaffen muss, könnte die Abrissbirne in ganz Deutschland noch häufiger zum Einsatz kommen.

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