Süddeutsche Zeitung

Corona und Kultur:Auch eine Sache der Würde

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Die Buchbranche fordert in einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder die Öffnung des Buchhandels.

Von Marie Schmidt

Hatte man sich zu Anfang des zweiten Lockdowns in Bayern noch ein Buch bestellt, fand man sich in einem Spionagethriller wieder. Klandestine Verabredung mit dem Buchhändler an der Straßenecke, man grüßt diskret, er legt das Buch im Vorbeigehen auf den Gepäckträger eines am Rand geparkten Fahrrads, wo man es ebenso unauffällig einsteckt. Rechnung folgt. Alles schwer verboten. Seit dem 11. Januar ist immerhin die Bestellung und Abholung im Laden wieder erlaubt. Eine breite Allianz von Verlegerinnen und Verlegern, Buchhandlungen, Schriftstellerinnen und Schriftstellern fordert nun in einem offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die Buchläden wieder ganz öffnen zu dürfen.

In Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gehören Buchhandlungen zu den Geschäften, die wie Drogerien und Läden für Presseerzeugnisse vom Lockdown ausgenommen sind. Dafür spricht einiges. In dem Schreiben an Söder heißt es: "Die Buchbranche leistet einen anerkannten Beitrag zu Wissen, Bildung und Kultur. Sie sichert die Meinungsvielfalt und stärkt die Demokratie. In Zeiten des Lockdowns sind Bücher wichtiger denn je. Es wird mehr gelesen, die Menschen suchen nach Büchern, und sie wollen beraten werden." Bestellservices helfen indes in der Tat nur Leserinnen und Lesern, die schon wissen, welches Buch sie kaufen wollen. Schon vor der Pandemie gab es allerdings für einen beklagenswerten Leserschwund vor allem eine plausible Erklärung: Die meisten Menschen wissen das nicht. Sie fühlen sich von der Vielfalt der Neuerscheinungen überfordert und sehnen sich nach Rat.

Auch Martin Walser und Herta Müller haben unterschrieben

Den geben die Buchhandlungen auch im Lockdown aufopferungsvoll. Mit persönlicher Auslieferung, Telefonberatung und klug gepflegten Internetauftritten halfen sie mit, die Talfahrt der Umsätze zu verhindern, die im Verlagswesen zu Beginn der Pandemie erwartet worden war. Das Geschäftsjahr 2020 schien kein allzu schlechtes zu werden, dann allerdings sagte die Vorsteherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels Karin Schmidt-Friderichs: "Die erneuten Ladenschließungen mitten im Weihnachtsgeschäft stoppten die Aufholjagd, mit der es dem Buchhandel fast gelungen wäre, die Einbußen aus dem Shutdown im Frühjahr auszugleichen".

In dem federführend von der Verlegerin Antje Kunstmann und dem Buchhändler Michael Lemling (Lehmkuhl, München) unterzeichneten Brief heißt es nun: "Nach inzwischen zwei Monaten Lockdown und einem drastischen Umsatzrückgang sind wir mit unseren Autorinnen und Autoren in großer Sorge um unsere Unternehmen". Mit unterschrieben haben den Brief unter anderem Martin Walser, Susanne Fröhlich, Uwe Timm, Petra Morsbach, Herta Müller und Alexander Kluge.

Die Öffnung der Friseursalons, erklärte Markus Söder zuletzt, habe "auch mit Würde zu tun in diesen schwierigen Zeiten". Das müsste für die Möglichkeit, in diesem langen Winter ohne Kulturveranstaltungen, wenigstens an Bücher ohne Umstände heranzukommen, ohne Frage auch gelten.

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