Süddeutsche Zeitung

Absage von Literaturpreisen:Einfallslos

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Wichtige Wettbewerbe wie der neue Deutsche Sachbuchpreis und der Bachmann-Preis sollen ein Jahr ausgesetzt werden. Das ist ein falsches Signal an Leser und Autoren.

Kommentar von Jens Bisky

Zwei Großereignisse des literarischen Lebens sind Ende der vergangenen Woche abgesagt worden: der Deutsche Sachbuchpreis, den die Stiftung Buchkultur des Börsenvereins in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben wollte, und die vom ORF Kärnten veranstalteten Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt, das Wettlesen um den Bachmann-Preis und weitere Auszeichnungen. Es ist gewiss richtig, auf eine Sachbuch-Preis-Gala in Berlin zu verzichten, und es wäre unverantwortlich, Autorinnen, Kritiker, Jurorinnen aus vielen Gegenden in wenigen Wochen am Wörthersee zu versammeln. Aber mussten deswegen die Preise notwendig für ein Jahr ausgesetzt werden?

Mitglieder der Klagenfurt-Jury protestieren in einem offenen Brief vehement gegen die Absage. Sie hätten es gerade in der gegenwärtigen Situation wichtig gefunden, dass der Wettbewerb stattfindet: "Es wäre ein Zeichen der Solidarität mit den Kulturschaffenden, aber auch mit den Kulturkonsumierenden gewesen, die alle gleichermaßen von dieser Krise betroffen sind." In der besonderen Lage hätte man die Statuten ändern, eine Online-Alternative finden können. Die Jurymitglieder Klaus Kastberger, Brigitte Schwens-Harrant, Philipp Tingler, Michael Wiederstein und Insa Wilke wären dazu bereit.

Schulen, Universitäten, Behörden, Parlamente, Kanzleien und Unternehmen erproben gerade, wie sie unter Ausnahmebedingungen und Ausgangsbeschränkungen weiterarbeiten können. Das kostet Kraft und Energie. Verlage, Literaturhäuser, Autorinnen und Autoren organisieren Lesungen, Gespräche, Auftritte im Netz. Buchhandlungen bieten ihren Kunden sehr bequeme Bestellmöglichkeiten aus der Distanz und Bringdienste an: #daslesengehtweiter, #supportyourlocalbookstore. Die Literaturbranche mit ihren vielen idealistischen Mitarbeitern und den meist geringen Margen hat begriffen, dass sie die Krise nicht aussitzen, nicht auf ein "Danach" warten kann, wenn sie überleben will.

Und die großen Akteure mit langjähriger Erfahrung, mit Sponsorengeld, Sendeflächen, garantierter Aufmerksamkeit? Sie verweigern das Nachdenken über außergewöhnliche, aber machbare Ersatzveranstaltungen. Traurig ist das.

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Quelle:
SZ vom 30.03.2020
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