Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Ortswechsel

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Die Fotoserie "Der bewegte Mensch" von Roger Fritz im Verkehrszentrum des Deutschen Museums

Von Evelyn Vogel

Alles steht still um einen herum, dabei ist doch alles eigentlich dazu da, den Menschen zu bewegen. Aber so ist das nun mal, wenn Fahrzeuge in Museen landen. Doch gerade weil es um Mobilität geht, passt die Ausstellung "Der bewegte Mensch" von Roger Fritz so gut ins Verkehrszentrum des Deutschen Museums. Vorbei an Trambahnen und Bussen, Kabinenrollern und Motorrädern, Droschken, Fahrrädern und Handkarren geht es ganz tief hinein in den Bauch der Ausstellungshalle oberhalb der Bavaria, wo Fritz' Fotografien an über Eck aufgebauten Stellwänden gehängt sind - fast wie auf Verkehrsinseln wirkt das.

Sie sind streng geordnet in die Kapitel "Menschen in Bus und Bahn", "Auf Rollern und Motorrädern", "Menschen in ihren Autos", "Radlerporträts", "Kinder unterwegs", "zu Fuß", "Touristen", "Warten", "Just for Fun" sowie "Schnell und mutig" - was gut funktioniert, aber irgendwie auch absurd ist. Denn all die Aufnahmen sind im Nebenbei entstanden, und eben diese Beiläufigkeit ist so markant. Hier posiert kaum einer. Der Fotograf hat die Menschen von diesen meist unbemerkt in einer selbstvergessenen Pose festgehalten. Entsprechend entspannt wirken die Gesichter.

Da wird in öffentlichen Verkehrsmitteln gesessen, gelesen, gegessen und gedöst (und eben nicht gedrängelt), Roller- und Harley-Liebhaber thronen auf ihren Gefährten, FC-Bayern-Fans drängen sich voller Vorfreude auf das Spiel in Bussen, Rikscha-Gäste lassen sich durch die Stadt kutschieren, ein Polizeikonvoi begleitet das Papamobil. Nur selten schaut einer direkt in die Kamera wie die Isarnixe im Bikini, die aus dem Fenster der Trambahn dem Fotografen einen Blick zuwirft. Ein Perspektivwechsel kennzeichnet die Wimmelbilder wie die New Yorker Straßenszene, der Massenstart bei einem Skirennen und - Stillstand in der Bewegung - das von den Sonnenanbetern, die das Schiffsdeck belagern.

Viele Fotos sind in München entstanden, andere auf Reportagereisen für verschiedene Zeitschriften, für die Roger Fritz in den zurückliegenden 30 bis 40 Jahren gearbeitet hat. Wo genau, weiß er oft selbst nicht. Was kein Wunder ist bei dem Tausendsassa, der nicht nur Fotograf, sondern auch Regisseur, Autor, Produzent und Schauspieler ist, der 1959 das Jugendmagazin twen mitbegründet hat, in den Sechzigern bei Visconti assistiert und später mit Fassbinder gearbeitet hat. Das Leben des mittlerweile 83 Jahre alten Roger Fritz gäbe vermutlich selbst genug Stoff für einen Film her, so bewegt war es.

Roger Fritz: Der bewegte Mensch , Verkehrszentrum des Deutschen Museums, Am Bavariapark 5, bis zum 9. Februar, täglich 9 bis 17 Uhr

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Quelle:
SZ vom 10.01.2020
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