Süddeutsche Zeitung

Barrierefreies Wohnen:Ein Treppenlift kann zur Kostenfalle werden

Lesezeit: 3 min

Viele Menschen können zu Hause keine Stufen mehr nehmen. Doch beim Kauf und Einbau einer Aufstiegshilfe kann viel schiefgehen. Was Experten raten.

Von Thomas Öchsner

"Unabhängig im eigenen Zuhause leben", "Die vertrauten Räume voller schöner Erinnerungen im ganzen Haus nutzen", "Wir machen alles möglich". So werben Anbieter von Treppenliften im Internet um neue Kundinnen und Kunden. Zehntausende haben sich in Deutschland bereits ein solches Transportmittel einbauen lassen, und täglich werden es mehr. Nicht nur, weil die Zahl der älteren Menschen zunimmt und viele Senioren das selbstbestimmte Leben in den eigenen vier Wänden schätzen. Auch die Corona-Pandemie hat die Nachfrage erhöht, weil Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht und den Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim hinausgezögert haben. Doch auf dem Markt für Treppenlifte "tummeln sich auch windige Firmen", warnt die Stiftung Warentest. Die freie Fahrt zu Hause sollte deshalb "gut vorbereitet sein".

Liest man die Werbesprüche von Anbieten, scheint alles ganz einfach zu gehen: Man informiert sich über verschiedene Modelle, holt sich einen Kundenberater ins Haus, der die Treppe ausmisst, und ein paar Tage später wird der Lift in wenigen Stunden eingebaut - fertig. Einfache Geräte, die über eine kurze gerade Treppe laufen, gibt es schon ab 3000 Euro. Kompliziertere Lösungen können schon mal 15 000 Euro kosten. Nutzer, die die Treppenstufen in ihrer Mietwohnung oder im eigenen Haus nicht mehr bewältigen, können beim Kauf allerdings auch viel falsch machen. Und dann kann die hilfreiche Technik etwa für den Weg ins Schlafzimmer im ersten Stock jede Menge Ärger bringen.

Im Sommer 2020 befragten sechs Verbraucherzentralen mehr als 100 Nutzer nach ihren Erfahrungen mit Treppenliften. Das Ergebnis: Viele Kunden müssen offenbar zunächst einige Schwierigkeiten überwinden, bevor sie dank der Transporthilfe barrierefrei zu Hause leben können. Außerdem gab ein Viertel der Befragten an, dass Werbeversprechen nicht eingehalten worden seien, egal ob es um Liefertermine, Planungsfehler beim Einbau oder nachlässigen Service ging. Wartungsverträge bezeichneten Kunden als "Abzocke", Ersatzteile als überteuert. Vier von fünf Verbrauchern beklagten Gewährleistungs- oder Garantieprobleme. Andere Befragte bemängelten Quietschgeräusche oder Ruckeln bei der Nutzung, Defekte an Bedienelementen der Sitzeinheit, fehlerhaften Einbau oder gar geborstene Treppensteine durch den Einbau.

Die Verbraucherzentralen und die Stiftung Warentest raten deshalb, sich zunächst bei unabhängigen Beratungsstellen über Angebote in der unmittelbaren Umgebung zu informieren. Anlaufstellen findet man im Netz unter www.wohnungsanpassung-bag.de. Regionale Anbieter werden auch deshalb empfohlen, weil diese bei Problemen mit der Technik leichter und schneller erreichbar sein sollten. Verbraucherschützer raten außerdem, sich bei einem ersten Gespräch mit einem Berater zu Hause keinesfalls zu einem Vertragsabschluss drängen zu lassen. Es gebe immer wieder Fälle, "bei denen sich Betroffene von Treppenlift-Firmen unter Druck gesetzt oder finanziell über den Tisch gezogen fühlen".

Fünf Tipps für den Kauf

Worauf potenzielle Käuferinnen und Käufer achten sollten:

Vergleichen: Treppenlifte gibt es nicht "von der Stange", sie werden in der Regel individuell je nach Treppe angepasst. Für gehbehinderte Personen ist meist ein Sitzlift geeignet, für Rollstuhlfahrer ein Plattform-Lift. Selbstverständlich sollte sein, dass jede Anlage ohne fremde Hilfe zu bedienen ist, sich im Notfall ein Alarm auslösen lässt und ein sicheres Ein- und Aussteigen mit genügend Platz drum herum möglich ist. Die Stiftung Warentest rät, sich Angebote von verschiedenen Firmen einzuholen und zu fragen, wo Probefahrten möglich sind.

Klären: Die Beratung zu Hause und der Kostenvoranschlag sollten kostenlos sein. Die Warentester raten, Details zu Leistungen, Garantie und Wartung penibel zu klären. Wartungs- und Servicekosten können sich pro Jahr auf 200 bis 300 Euro belaufen. Außerdem sollten die beauftragten Monteure ihr Arbeitsumfeld möglichst in der Nähe haben.

Reden: Wer in einer Eigentumswohnung lebt, braucht von der Eigentümergemeinschaft des Wohnhauses eine Genehmigung für den Einbau eines Treppenlifts. In der Regel muss diese den Einbau dulden, wenn ein gehbehinderter Eigentümer auf eigene Kosten einen Treppenlift einbauen lässt. Mieter sollten ihren Vermieter vor dem Einbau eines Treppenlifts um Erlaubnis fragen. Falls dieser den Einbau ablehnt, muss notfalls vor Gericht geklärt werden, welches Interesse Vorrang hat.

Prüfen: Anbieter von Treppenliften müssen Kunden über die jeweiligen Prüf- und Zulassungsverfahren informieren und, falls nötig, sämtliche Genehmigungen einholen. Die Verbraucherzentralen empfehlen: Das Geld für den gesamten Einbau sollte man erst zahlen, "wenn alle erforderlichen Unterlagen, etwa eine Prüfbescheinigung, vorgelegt wurden und beim Betrieb des Lifts keine Mängel auftreten".

Kassieren: Wer einen anerkannten Pflegegrad von eins bis fünf hat und ein Treppenlift wirklich benötigt, erhält von der Pflegekasse einen Zuschuss von bis zu 4000 Euro. Wird der Lift zum Beispiel von einem Ehepaar genutzt, erhält jeder Pflegebedürfte maximal 4000 Euro, gemeinsam macht das also einen Zuschuss von bis zu 8000 Euro. Die Verbraucherzentralen raten, den Kostenvoranschlag vor der Umbaumaßnahme bei der Pflegekasse einzureichen, um möglichst nicht alleine auf den Kosten sitzen zu bleiben. Auch die staatliche Förderbank KfW fördert mit ihrem Programm "Altersgerecht Umbauen" den Lifteinbau, jedoch nicht zusätzlich zum Zuschuss der Pflegekasse. Die KfW rät, den Antrag unbedingt noch vor Beginn des Einbaus einzureichen, wobei die Fördermittel für den Abbau von Barrieren derzeit erschöpft sind. Eigene Ausgaben für einen Lift lassen sich als außergewöhnliche Belastung aber auch von der Steuer absetzen.

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