Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:So und nicht anders

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Darf man in einer bayerischen Zeitung von einem Bollerwagen sprechen oder muss es hochdeutsch Leiterwagen heißen?

Von Hermann Unterstöger

ZU DEN EWIGEN WAHRHEITEN zählt der zirkelschlussartige Satz "Es ist nichts vorbei, solange es nicht vorbei ist", dessen Urheberschaft mal Oliver Cromwell zugeschrieben wird, mal dem Baseballspieler Yogi Berra, der "It ain't over till it's over" sagte und seither in einem Atemzug mit Sepp Herberger ("Das Spiel dauert 90 Minuten") genannt wird. Leser E. hat nichts gegen den Spruch, wohl aber gegen die doppelte Verneinung, mit der er bei uns auftrat: "Es ist nichts vorbei, bevor es nicht vorbei ist." Es müsse heißen: "... bevor es vorbei ist." Die Grammatik bestätigt das: Nach einem verneinten Hauptsatz fällt im Nebensatz die Negation nicht weg, wenn dieser mit bevor, bis, ehe eingeleitet wird. Steht der Nebensatz vor dem Hauptsatz, ändert sich die Lage: "Bevor es nicht vorbei ist, ist nichts vorbei." Im Alltag hat sich die falsche doppelte Verneinung indes komfortabel eingerichtet: "Du gehst nicht ins Kino, ehe du das nicht aufgegessen hast."

"SPRACHE PRÄGT DAS BEWUSSTSEIN", schreibt Leser W. und regt an, im Interesse Europas den Begriff EU-Ausländer durch einen zu ersetzen, der die Zusammengehörigkeit aller EU-Bürger in sich schließt. Das wird schwierig, da die Unionsbürgerschaft keine eigene Staatsbürgerschaft ist: Sie ergänzt die nationale Staatsangehörigkeit, ohne sie zu ersetzen. In dem Fall scheint es so zu sein, dass das durchaus vorhandene Bewusstsein die Sprache prägen müsste, dies jedoch aus Rechtsrücksichten nicht kann.

DA DIE SZ IN BAYERN zu Hause ist, sollte sie den hiesigen Sprachton pflegen. Eine Verletzung dieses Prinzips sieht Leser G. in der Verwendung des Begriffs Bollerwagen: Noch vor Kurzem habe man solche Fahrzeuge Leiterwagen genannt. Ein Politiker würde jetzt sagen: "Da bin ich ganz bei Ihnen." Das Labor rückt, wiewohl kernbairisch, trotzdem ein Stück ab. Dem abgebildeten Wagen fehlten die für einen Leiterwagen typischen Seitenleitern. Es war also wohl wirklich ein Bollerwagen.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2018
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