Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Skandal im Sperrbezirk

Lesezeit: 1 min

Ein Leser möchte geprüft haben, ob Berlin bei Barack Obamas letztem Besuch nun "Sperrgebiet" oder "Sperrbezirk" war.

Von Hermann Unterstöger

ÜBERFLÜSSIGE WÖRTER sind zeit- und platzraubend, auch stehen sie für zweifelhaften Stil. Diese These vertritt Leser W., und er tritt mit ihr gegen die Floskel "Es ist dies ..." an. Belege dafür gibt es genug und in allen Blättern, stellvertretend und ohne Wertung hier ein Satz aus der Bayerischen Staatszeitung: "Es ist dies nicht die einzige Ungereimtheit." Was Zeit und Platz angeht, so scheint Herr W. den Schaden überzubewerten: Die Differenz zwischen "Es/dies ist" und "Es ist dies" ist so winzig, dass man tausend "Es ist dies" bräuchte, um sie sinnfällig zu machen. Zweifelhafter Stil? Da stehen wir auf dünnem Eis. Zwar ist Knappheit im Wortverschleiß eine Stilempfehlung, doch muss Verschwendung auch hier nicht unbedingt ein Laster sein. In der gehobenen Sprache jedenfalls hat die Wendung ihren legitimen Platz. Nietzsche über Bachs Matthäus-Passion: "Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium; es ist dies die Musik der Verneinung des Willens, ohne Erinnerung an die Askesis."

UNTER DIE "LÄSSIGEN SÜNDEN" rechnet Leser B. das aus zuverlässig und verlässlich zusammengeschnittene Adjektiv "zuverlässlich", das kürzlich wieder bei uns im Blatt auftauchte. Es ist weniger heiter als Karl Valentins "unerbitterlich", gehört aber wie dieses zu den durch Kontamination entstandenen Formen. Walter Henzen führt in seiner "Deutschen Wortbildung" ein paar kuriose Exemplare an: Ehrgeizhals, Entlehnstuhl, Maskenballade, Marlitteratur, wesentiell.

UNSERE ONLINE-AUSGABE meldete, Barack Obama habe Berlin zum Sperrbezirk gemacht. Leser P. regte daraufhin an, der Sache auf den Grund zu gehen und zu prüfen, ob Berlin nicht doch eher zum Sperrgebiet geworden sei. Herr P. hat natürlich recht, sorgt aber für Irritationen unsererseits, weil er schreibt, er habe als Jugendlicher Sperrgebiet und Sperrbezirk verwechselt und dadurch "mittelschweren Ärger" bekommen. Was er da wohl getrieben hat?

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Quelle:
SZ vom 03.12.2016
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