Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:No a Mass!

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Zum Oktoberfest 2014 fällte die SZ eine folgenschwere Entscheidung: Sie schreibt nicht mehr eine "Maß" Bier, sondern eine "Mass". Das gefällt Lesern nicht.

Von Hermann Unterstöger

DAS OKTOBERFEST beschert uns seit vorigem Jahr Leserbriefe, worin wir dafür gerügt werden, dass wir die Mass Bier statt mit "ß" mit "ss" schreiben. Damals entschied die Redaktion sich für die Variante Mass, und es mag verärgerte Leser beruhigen zu wissen, dass viele Kollegen diese Entscheidung nur unter Protest mittragen. Hier noch einmal die vergleichsweise simple Überlegung, die dem orthografisch durchaus sinnvollen Schritt zugrunde lag: Die Mass wird in Bayern genauso ausgesprochen wie das Fass, aus dem sie kommt, und der Bass, mit dem sie zu fortgeschrittener Stunde da und dort besungen wird, nämlich mit einem dunklen, aber kurzem Vokal "a"- Grund genug, sie auch so zu schreiben.

DASS DIE KASUSKONGRUENZ auch bei Datumsangaben zu beachten ist, daran erinnert Leser B. anlässlich der Formulierung "am Donnerstag, den 1. Oktober". Natürlich hat er damit recht, dass die Apposition zum Bezugswort passen müsste, dass also der Dativ am Donnerstag mit dem Dativ dem 1. Oktober fortzusetzen ist. In der Praxis sieht es anders aus. Das Institut für deutsche Sprache ist der Frage nachgegangen, mit dem Fazit, dass in umgangssprachlichen Texten der unkorrekte Akkusativ - auf am folgt den - die Oberhand hat, wohingegen man sich in eher normorientierten Texten an den Dativ hält. Man muss aus der Sache kein Drama machen. Datumsangaben wie Düsseldorf, den 4. Mai gelten als ebenso sauber wie Adverbialakkusative à la jeden Tag respektive die ganze Zeit, und dass hinter all dem Büchners Satz "Den 20. ging Lenz durch's Gebirg" gewaltig aufragt, sollte ebenfalls nicht vergessen werden.

WEITSCHWEIFIG ist vieles, nicht jedoch die Verwandtschaft, die Gertrude Bell mit einem Botschafter verband. Leser Dr. B. merkte das äußerst bündig an, und damit auch diese Notiz nicht zu weitschweifig wird, sei ähnlich bündig angefügt, dass Verwandtschaften wie die genannte weitläufig oder, noch schöner, weitschichtig  sind.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2015
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