Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Buchwurm?

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Wo die Sprache knausert und weshalb sie das bei Bauer Bunke auch ganz gut unterlassen könnte. Und wem das Wasser gehört.

Von Hermann Unterstöger

METAPHORISCHEN CHARME bescheinigt Leser Dr. S. dem Titel "Der Buchmacher". Damit hat sich's dann aber auch schon, denn in sachlicher Hinsicht, sagt er, sei der Titel falsch. Es hätte, da der Artikel von einem Verleger handelte, "Der Büchermacher" heißen müssen. In der Tat machen Verleger, und sei ihr Laden noch so klein, nicht nur ein Buch, doch landen wir mit diesem Argument schnell in der Sackgasse: Der Buchhändler hat ebenfalls mehr als ein Buch im Sortiment und heißt trotzdem nicht Bücherhändler. Es wäre bei diesem Stand der Dinge auch an den Buchhalter zu erinnern, der sich angeblich von tenere i libri (die Bücher halten) herleitet, und wenn wir bei der von Herrn S. vorgegebenen Lockerheit bleiben dürfen, wäre zu konstatieren, dass einer, der sich sein ganzes Leben lang nur in ein Buch verbeißt, trotzdem ein Bücherwurm ist.

WEM GEHÖRT das Wasser? Allen, und wer mit "allen" gemeint ist, unterliegt keinem Zweifel: alle Menschen. Ein leiser Zweifel daran befiel Herrn B., als er las: "Schließlich gehört das Wasser nicht einigen Geschäftemachern, sondern allen." Zu seiner Beruhigung: "allen" bezog sich nicht auf die vereinigten Geschäftemacher, sondern auf alle Menschen (zu denen freilich auch die Geschäftemacher gehören).

DER ARTIKEL ist Begleiter des Substantivs, und es gibt zu diesem Begleitschutz ein differenziertes Regelwerk. Bei "Widerstand ist nutzlos" bleibt der Artikel "der" weg, nicht jedoch bei "Die Milch ist heiß", es sei denn, es handelt sich um einen Alarmruf aus der Küche: "Milch ist heiß!" Leser F. beobachtet seit Längerem, dass "mit ihrem Beruf bezeichnete Personen immer häufiger des Artikels verlustig gehen". Um dafür ein Beispiel zu geben: Der Virologe Christian Drosten erscheint in der Presse überwiegend als "Virologe Drosten", was so klingt wie "Fürst Bismarck" oder "Bauer Bunke", der bei Dichter Busch selig von seinem Abendtrunke heimschwankt. Schon vor 60 Jahren diagnostizierte die Grammatik eine "zur Kürze drängende Gegenwartssprache", die hier (nach Meinung Redakteur Sprachlabor) an der falschen Stelle knausert.

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