Süddeutsche Zeitung

Gaspreisbremse:"Einladung zum Nichtsparen"

Lesezeit: 5 min

Die Bundesregierung will Bürger bei den Gaspreisen entlasten. SZ-Leserinnen und -Leser wollen keine Geschenke, sondern soziale und gerechte Konzepte.

"Ein Preisdeckel schadet nur" vom 7. Oktober, "Der Deckel für den Gaspreis" vom 1./2. Oktober und "Die Heizer kommen" vom 11. Oktober:

Sparsamkeit fördern

Mir leuchtet der Sinn der sogenannten "Gaspreisbremse" nicht ein. Ist unser Hauptproblem nicht, dass zu wenig Erdgas zur Verfügung steht? Die steigenden Preise aufgrund der Angebotsverknappung sind lediglich eine marktwirtschaftlich bedingte Konsequenz. Wenn einer klugen Hausfrau von einem Grundnahrungsmittel nur noch eine überschaubare Menge zur Verfügung steht und Nachschub vorerst nicht in Sicht ist, was macht sie dann? Sie geht sehr sparsam mit dem verbliebenen Rest um.

Die Gaspreisbremse ist eine Einladung zum Energie-Nichtsparen. Wenn die Gasspeicher mitten im eiskalten Winter aufgrund eines zu geringen Sparwillens leer sind, wird sie ihre Wirkung verfehlen. Wer mangels Energienachschub nichts mehr verbrauchen kann und deshalb im Kalten sitzt, der muss sich um die anschließende Rechnung auch keine großen Sorgen machen. Energiesparsamkeit wäre im kommenden Winter das oberste Gebot.

Doch die Politik ist nicht imstande, der Bevölkerung diese höchst dringliche Notwendigkeit ausreichend zu vermitteln. Das Mantra von Bundeskanzler Scholz, dass "wir gut durch den Winter kommen", verleitet eher zur Sorglosigkeit. Jeder Kubikmeter Gas, der in Privathaushalten unnötig verbraucht wird, fehlt am Ende der Wirtschaft und Industrie, die für Arbeitsplätze und damit für Wohlstand sorgt.

Ich habe keinerlei Verständnis für Leute, die bereits Ende September aufgrund etwas kühlerer Temperaturen ihre Heizung auf 30 Grad aufdrehen. Ein warmer Pullover würde es auch tun. Man kann natürlich von politischer Seite immer mehr Schulden aufnehmen und diese in weiteren Nebenhaushalten verbuchen.

Hat die Bundesregierung nach Corona, Energiekrise und anderen Krisen überhaupt noch einen Überblick über den tatsächlichen Stand der Verschuldung dieses Landes? Irgendwann aber wird die Rechnung präsentiert.

Alfred Kastner, Weiden

Was gerecht wäre

Im Gastbeitrag der drei Vorsitzenden der Kommission Erdgas und Wärme vermisse ich zwei wichtige Begriffe: sozial und gerecht. Als sozial würde ich die staatliche Unterstützung einer Kostensenkung der Gaspreise für die Haushalte der Bürger empfinden. Sollten die Löcher des milliardenschweren, staatlichen Gießkannenbrausekopfes zu groß sein, wird diese Maßnahme nicht als gerecht angesehen, da sie alle Haushalte erreichen soll. Der Anreiz zum Energiesparen rückt dadurch in den Hintergrund, da ja ein Preisdeckel den zu erwartenden Kostendruck auf die Bürger abschwächt.

Gerechter wäre es, wenn nach einer Gaspreisdeckelung für das Jahr 2022 der Preisdeckel für die folgenden Jahre (bis einschließlich 2024) als "Einsparbonus" zum Einsatz kommt. Wer nachweislich weniger Gas oder Strom verbraucht hat, erhält wie bei einer Rabattmarken-Aktion eine Reduzierung seiner Energiekosten. Auf diese Weise wird die staatliche Hilfe dort landen, wo durch Energieeinsparung Haushaltskassen entlastet werden. Wer zum Beispiel seine Sauna oder Schwimmbad weiterhin mit der knapp gewordenen Energie Erdgas betreiben will, sollte nicht mit einer "Gaspreisdeckel-Hängematte" aufgefangen werden. Sozial und gerecht kann nur sein, wenn eine ernsthafte Entlastung der Haushalte nur da ankommt, wo sie auch dringend benötigt wird.

Rainer Tschichholz, Kolbermoor

Unschärfe in Kauf nehmen

Der Meinung von Frau Nienhaus möchte ich deutlich widersprechen. Es ist leicht, diese Vorschläge als unausgewogen zu kritisieren, ohne konkrete Verbesserungen zu nennen. Es ist nun schnelle Hilfe nötig, deshalb müssen Unschärfen in Kauf genommen werden. Wenn es für die Versorger offensichtlich keine Möglichkeit gibt, die Art des Verbrauchs bei den einzelnen Abnehmern festzustellen (Villa oder Pool), muss man das im Moment akzeptieren. Wer sind wir, dass wir eine hochkarätige Expertenkommission attackieren, die sich sichtlich große Mühe gegeben hat, einen brauchbaren Kompromiss zu finden?

Heiko Nordenholz, Ottobrunn

Der Markt ist blind

Björn Finke bringt in seinem Kommentar den (Irr-)Glauben der Marktideologen an die Segnungen einer ungeregelten Wirtschaft sehr gut auf den Punkt: Ein Preisdeckel untergrabe die Lenkungswirkung des Preises. "Knappe Rohstoffe sollten dahin geliefert werden, wo sie am meisten gebraucht werden und den meisten Nutzen stiften. Gibt es nicht genug Gas, sollten also jene Käufer den Zuschlag erhalten, die am meisten zu zahlen bereit sind." Schauen wir einmal: Wenn es nach der Zahlungsbereitschaft geht (was für ein zynischer Begriff), fließt knappes Gas nicht an alleinerziehende Mütter und Armutsrentnerinnen, die frieren (wahrscheinlich, weil sie aus reinem Trotz nun mal nicht "bereit" sind, hohe Preise zu zahlen), sondern an Millionäre, die ihren Außenpool beheizen wollen. Und das soll der größte Bedarf und der meiste Nutzen sein? Nein, der Markt ist blind für echten Nutzen. Oft stiftet das, was er hervorbringt, im Gegenteil den größten Schaden. Genau das ist doch unser Problem.

Oliver Domzalski, Hamburg

Robin Hood spielen

Man lernt nie aus. Bisher habe ich immer gedacht, Preisabsprachen seien verboten, weil sie dem freien und fairen Wettbewerb zuwiderlaufen, und moralisch verwerflich, weil das konkurrenzbedingte Sinken der Preise zuungunsten der Verbraucher verhindert wird. Das gilt aber wohl nur für Unternehmen, die ihr Wohlergehen durch sinkende Preise gefährdet sehen. Wenn Staaten ihr Wohlergehen durch steigende Preise gefährdet sehen, sind Preisabsprachen nicht verboten, sondern geboten. Die Absprache über die allgemein zulässige Höhe eines Preises ist nur verwerflich, wenn sie heimlich geschieht, offiziell abgesprochen ist das anders. Und ganz besonders anders, wenn um jeden Preis Gegner ruiniert werden sollen. Über Sanktionsdeckel denkt man lieber nicht nach. "Ein Preisdeckel schadet nur." Aber Robin Hood kann man halt nicht spielen, ohne Gesetze zu brechen - und seien es nur die des Marktes.

Gabi Baderschneider, Sinzing

Grundversorgung sichern

Mangelbewirtschaftung kann man nicht dem liberalen Markt überlassen, das geht nur mit staatlichen Eingriffen. Aber es macht den entscheidenden Unterschied, ob der Staat nur die Grundsicherung - hier des Energiebedarfs - sicherstellt oder generell die Energie durch seine Subvention verbilligt - die damit verbundene Staatsverschuldung muss schließlich über Steuern wieder beglichen werden.

Wer die Mittel hat, seine zukünftigen Energiekosten durch Investition in erneuerbare Energien zu verringern, für den muss es sich auch rechnen, sonst kriegen wir weder die Energiekosten in Griff noch vermindern wir die Klimarisiken. Der Tankrabatt war ein eindringliches Zeugnis, wie man es nicht machen darf.

Ernst Friedl, Deggendorf

Sparen ist nachhaltig

Gas wird in Deutschland zu zwei Dritteln von der Industrie und dem Gewerbe verbraucht, nur zu einem Drittel von privaten Haushalten. Der Gaspreisdeckel dient also primär der Wirtschaft. Die dadurch entstehenden Schulden müssen unsere Enkel bezahlen, was deren Konsum beeinträchtigt. Also: Die Wirtschaft hat sich zum Nachteil unserer noch nicht wahlberechtigten Enkel durchgesetzt. Jeder Wumms ist ein Schlag in die Magengrube von Millionen Enkeln. Durch die Gasverbilligung entfallen Sparanreize, was die Umwelt beeinträchtigt und auch dazu führen könnte, dass dieser geplante Gaswumms nicht reicht.

Wenn der Gaspreis nicht staatlich beeinflusst wird, wird mehr Gas gespart, was die Umwelt und die Schuldenberge entlastet, also eher nachhaltig ist. Ölkunden dürfen von jetzt an nachhaltiger leben als Gaskunden.

Wolfgang Maucksch, Herrieden

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