Süddeutsche Zeitung

Jerusalem:Anstoß zu Frieden oder Krieg?

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Die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stößt bei Leserinnen und Lesern auf unterschiedliche Reaktionen.

"Schwere Unruhen im Gazastreifen" vom 9./10. Dezember, "Nächstes Jahr in Jerusalem" und "Ein Quadratkilometer Weltgeschichte" vom 7. Dezember sowie "Trump gewinnt" vom 6. Dezember:

Grund zur Hoffnung

US-Präsident Donald Trump erkennt Jerusalem als Hauptstadt Israels an und will die US-Botschaft dorthin verlegen. Für die Palästinenser platzt damit der Traum der Zweistaatenlösung - obwohl diese durch Israels exzessiven Siedlungsbau längst verbaut ist. Wenn Trump also sagt, er wolle mit seiner historischen Entscheidung nur "das Offensichtliche" anerkennen und "nach Jahrzehnten des Stillstands" neue Ansätze machen, könnte das auch ein Grund zur Hoffnung sein. Die Palästinenser-Führung könnte es zum Anlass nehmen für einen überfälligen Paradigmenwechsel Richtung Einstaatenlösung. Ein gemeinsamer Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan, mit gleichen Rechten für Juden und Palästinenser, mit einer gemeinsamen Hauptstadt Jerusalem, erlaubt Juden, in Judäa und Samaria zu siedeln, und Palästinensern, nach Haifa und Jaffa zurückzukehren.

Sabine Matthes, München

Gefahr für uns alle

Nachdem sowohl in Tel Aviv als auch in Washington die Scharfmacher das Sagen haben, konnte es nicht mehr lange dauern, bis Feuer an die Lunte zum Pulverfass Naher Osten gelegt wurde. Für den weiteren Fortgang der dortigen Lage ist das Schlimmste zu erwarten. Dann würde es mich nicht wundern, wenn auch Deutschland in die Auseinandersetzungen hineingezogen würde. Wenn die Palästinenser ihre Drohungen wahr machen und es zu einem erneuten Aufstand gegen die Besatzer kommt, wird man uns möglicherweise an das leichtfertige Wort von Kanzlerin Angela Merkel erinnern, die Sicherheit Israels sei unsere "Staatsräson". Mit dieser fatalen Äußerung wird man von uns fordern, unsere Soldaten zur Befriedung der Lage in die Region zu schicken. Das hieße, wir müssten für die Brandstifter in Israel und in den USA die Kastanien aus dem Feuer holen. Man kann nur rechtzeitig und nachdrücklich vor einer solchen Entwicklung warnen.

Wolfgang E. Schaefer, Altleiningen

Demütigung der Muslime

Donald Trump führt, getrieben von seiner zionistisch-evangelikalen Klientel und applaudiert von seinen rechtsreaktionären Anhängern im Rest der Welt, Krieg gegen den Islam. Truppen der USA und ihrer Verbündeten stehen schon heute in muslimischen Ländern auf der Seite wechselnder Diktatoren und ihrer Financiers. Dass Trumps Beschluss, die Annexion Jerusalems durch die Besatzungsmacht Israel zu besiegeln, eine weitere tiefe Demütigung der muslimischen Welt bedeutet und damit dem Terrorismus neue wütende Männer zutreiben wird, ist das zynische Kalkül dahinter. Trump braucht den "Krieg gegen den Terrorismus" zur Rechtfertigung seiner Politik. Die unendlichen Stellvertreterkriege verlangen nach Waffen, und die durch sie heraufbeschworenen "Bedrohungen" fordern den weiteren Ausbau der weltweiten Militärpräsenz von USA und Nato. Die Massenproduktion ferngesteuerter Tötungsmaschinen, Drohnen, Marschflugkörper will in der Folge gefördert werden. Kriege schüren, um mittels Ankurbelung der Waffenproduktion die Konjunktur zu beleben, neu ist das nicht, aber immer verheerend für die kleinen Leute.

Hanspeter Gysin, Basel/Schweiz

Ohnmächtige Steinewerfer

Wenn jetzt von einer "neuen Welle der Gewalt" im Westjordanland und im Gazastreifen berichtet wird, sollte man sich einmal vergegenwärtigen, dass dort seit Jahrzehnten eine permanente "Welle der Gewalt" von ganz anderem Kaliber herrscht, nämlich in Gestalt der israelischen Besatzung. Sowie des fortschreitenden Siedlungsbaus, der die schleichende Annexion "Judäas und Samarias" buchstäblich untermauert - einschlägige UN-Resolutionen hin oder her. Gegen die israelische Militärmaschinerie stellen ein paar Steinwürfe nicht mehr als einen ohnmächtigen Protest dar. Dass diese jetzt als besagte "neue" Gewaltwelle in den Medien solche Aufmerksamkeit finden, beweist eigentlich nur, dass man hierzulande das Besatzungsregime im Grunde als Normalzustand abgehakt hat; und dass man offenbar überwiegend immer noch - ganz kontrafaktisch - die Mär vom allseits existenzbedrohten Israel pflegt; von einem Staat, der nicht zuletzt dank üppiger westlicher Waffenlieferungen längst zur regionalen Supermacht geworden ist (die sogar Iran glaubwürdig mit Militärschlägen drohen kann).

Mathias Günther, Hamburg

Die Zeiten haben sich geändert

Ist Donald Trump wirklich so etwas wie ein Betriebsunfall in der amerikanischen Politik? Gibt es nicht Hinweise, dass in der US- Gesellschaft soziokulturelle Verwerfungen stattgefunden haben? Nicht erst seit Trump. Und nicht ein Einzelner ist der Grund für diese Verschiebungen. Vielleicht muss man sogar auf Samuel Huntingtons umstrittene These vom "Clash of Civilizations" zurückgehen, um sich über den Bruch in der US-Gesellschaft klar zu werden. Bereits die Tea-Party-Bewegung war doch ein augenfälliges Zeichen für die explosive Mischung von soziokulturellen und sozio-ökonomischen Brüchen. Trump steht nicht nur nicht alleine mit seinem Programm, auch der Senat, jetzt der Supreme Court, gehen mit bei Trumps Vorstößen in Richtung Begrenzung von bestimmten Zuwanderungsgruppen. Und die hundert Millionen Trump-Wähler bzw. -Sympathisanten doch auch. The Times They Are a-Changin'.

Klaus D. Lubjuhn, Aachen

Druck auf Palästinenser erhöhen

Die moderne Geschichte Israels ist geprägt durch zwei Themen: die Zwei-Staaten-Lösung und die Einstellung der Israel umgebenden Staaten zum Existenzrecht Israels. Dieses wird weiterhin in weiten Teilen der arabischen Welt bestritten. Fakt ist: Ohne eine israelische Politik der Stärke gäbe es heute den israelischen Staat nicht mehr. Die EU-Politik würdigt diese Situation nicht. Man möchte die Situation durch "Geld geben an die Palästinenser" befrieden. Auch diese Politik ist seit Jahrzehnten gescheitert. US-Präsident Donald Trump hat nun den ersten Schritt zur Anerkennung dieser Situation gemacht - leider aus vollkommen falschen Motiven heraus. Richtig ist aber: Der Druck auf die Palästinenser und ihre arabischen Partner, Frieden zu wollen und das Existenzrecht Israels anzuerkennen, ist zu erhöhen.

Dr. Lothar Sowa, Rohrenfels

Dicke Backen

An der neu aufgeflammten blutigen Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis ist allein US-Präsident Donald Trump schuld. Welch verantwortungslose, dumme Politik, Jerusalem zur Hauptstadt Israels zu erklären. Vergleichbar dumm mit katastrophalen Folgen wäre es seinerzeit gewesen, hätte man in Zeiten des Kalten Krieges das geteilte Berlin zur Hauptstadt der Bundesrepublik erklärt. Trump scheint eine krankhafte Befriedigung darin zu finden, an Pulverfässern zu zündeln und mit dicken Backen politische Glutnester in aller Welt anzufachen. Hoffen wir, dass daraus nicht einmal ein Weltenbrand entsteht.

Peter Maicher, Zorneding

Trumpelhaft

"Schwedenrätsel - Jerusalem" vom 9./10. Dezember: Unüberlegt - oder mit übler Absicht? Das Wochenend-Rätsel der SZ fragt nach dem Land, in dem Jerusalem Hauptstadt sei. Die erwartete Antwort ("Israel") ist schlicht trumpelhaft und macht angesichts der realen Entwicklung zornig.

Bernhard Dehn, Celle

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Quelle:
SZ vom 12.12.2017
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