Süddeutsche Zeitung

Henri Nannen:Umgang mit der NS-Vergangenheit

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Die einen preisen den früheren Stern-Chefredakteur als Ausnahmejournalisten, andere wiederum beklagen die Milde, mit der man jahrzehntelang auf seine Rolle in den 1940er Jahren geblickt hat.

"Ich wusste es, und ich war zu feige" vom 21. Juni:

Inspirierend und beeindruckend

Henri Nannen hat nie gewollt, dass die gleichnamige Schule nach ihm benannt wird. Er hat es bei den Lehrgängen, die ihn noch als Gast erleben durften, als "Quatsch" bezeichnet. Die Namensgebung wurde ihm als Geschenk zum 70. Geburtstag 1983 aufgedrängt.

Wenn er kam, hat er die Schülerinnen und Schüler immer sehr beeindruckt und inspiriert. Einmal sagte er auf die Frage, was heutige Chefredakteure denn falsch machen würden: "Sie lieben ihre Leser nicht mehr."

Die Schule hieß vorher "Hamburger Journalistenschule", so könnte sie natürlich auch jetzt wieder heißen. Aber die Schülerinnen und Schüler der Henri-Nannen-Schule werden sich nicht umbenennen.

Ingrid Kolb, Hamburg, Leiterin der Henri-Nannen-Schule von 1995 bis 2006

Auffallende Milde

Es ist mir schon seit vielen Jahren aufgefallen, dass die bundesdeutschen Medien auffallend milde, mit Parteigängern und Propagandisten des NS-Regimes umgesprungen sind, wenn aus ihnen in der Nachkriegszeit "unabhängige und liberale" Journalisten und Medienschaffende wurden. Sind solche Leute - Parteigänger und NS-Verklärer - jedoch in die Politik gegangen, war man weit weniger tolerant.

Ich habe mir oft die Frage gestellt, warum es lange keinem Journalisten aufgefallen ist, beziehungsweise nicht auffallen wollte, dass Typen wie Nannen, die öffentlich das Hohelied der Nazis sangen - zum Beispiel im Olympiafilm "Fest der Völker" - diese Tatsache nicht wahrnahmen, aber dafür die Regisseurin dieses Machwerks nach Strich und Faden medial prügelten. Eine Krähe hackt der anderen halt kein Auge aus.

Nils Minkmar hat ja recht in seiner Zusammenfassung über den Journalisten Henri Nannen, aber es mindert die Qualität dieses Beitrages erheblich, wenn nicht ein einziges Mal erwähnt wird, dass Gerhard Löwenthal ein Jude und Holocaust-Überlebender war. Und wenn er - der, stramm konservative Journalist - als Rechtsaußen bezeichnet wird, dann ist dies unfair und einfach nicht richtig. Auf jeden Fall war er kein Opportunist und Großlautsprecher, wie es Nannen mit Sicherheit war.

Wolfgang Bleifuß, Puchheim

Wie wird es in Zukunft aussehen?

Manchmal, leider viel zu selten, wird man von Beiträgen positiv überrascht. Höchste Zeit, dass jemand dem aufgeregten "Huch - welcher Unhold hat den Stern zum Erfolg geführt"-Gestammel mit ein paar Fakten entgegentritt. Das passiert ja nicht gerade hier und jetzt auf der Documenta, sondern ist doch schon ein paar Jahre her und unter Umständen geschehen, mit denen ich dank der Gnade der späten Geburt mich nicht "live" auseinandersetzen musste (1950).

Ich weiß wirklich nicht und bin sehr froh darüber, wie ich mich als Jugendlicher zu Zeiten des Nationalsozialismus verhalten hätte. Allerdings bewege ich mich auch nicht auf der moralischen Flughöhe der woke- und anderer aufgeweckter Aktivisten, die ihrem Bewusstsein für Ungerechtigkeiten, Ungleichheit und Unterdrückung von Minderheiten Ausdruck verleihen möchten.

Ich bin gespannt, ob in späterer Zeit auch einige erfolgreiche Journalisten sagen werden: "Ich wusste es, und ich war zu feige", wenn sie mit leicht angespitztem Mündchen, aber doch durchaus wohligem Gruseln über Sendungen vom Dschungelcamp abwärts berichtet haben, die eben nicht nur eine Frage des schlechten Geschmacks, sondern der Achtung vor Mitmenschen sind.

Aber nun wächst ja bei RTL und Stern zusammen, was zusammen gehört und man kann getrost wieder einige Medien von der Seh- und Leseliste streichen.

Irgendwann muss man vermutlich, wie in der Lach- und Schießgesellschaft in grauer Vorzeit mal gesagt, sich seine Sachen selber schreiben...

Fred Kipka, München

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