Süddeutsche Zeitung

Vollverschleiert zur Arbeit:Eine Burka im Bürgeramt? Undenkbar!

Lesezeit: 2 min

Bislang erschien sie mit Kopftuch, jetzt will eine Angestellte der Stadt Frankfurt nur noch vollverschleiert zur Arbeit kommen. Ihr Arbeitgeber will das verhindern - manche vermuten niedere Beweggründe hinter dem Meinungswandel.

Marc Widmann

Vor dem Frankfurter Bürgeramt warten morgens für gewöhnlich nur Menschen, die einen neuen Ausweis benötigen. Am Dienstag jedoch tummelten sich zahlreiche Fernsehkameras vor der Behörde. Sie wollten ein bundesweit einmaliges Ereignis dokumentieren: Eine 39-jährige Angestellte der Stadt hatte angekündigt, am ersten Arbeitstag nach ihrer Elternzeit vollverschleiert zum Dienst anzutreten - in einer Art Burka. Das gab es noch nie in Deutschland, entsprechend groß ist die Aufregung.

Bevor sie in Elternzeit ging, trug die deutsche Muslimin mit marokkanischen Wurzeln lediglich ein Kopftuch. Sie bediente im Bürgeramt die Frankfurter, die sich in der Stadt anmelden oder einen neuen Pass bestellen wollten. Jetzt besteht sie darauf, bei dieser Tätigkeit auch ihr Gesicht zu verhüllen, aus religiösen Gründen, wie sie angab. Wegen des Medienrummels empfahl ihr die Stadt, ihren Dienstantritt am Dienstag zu verschieben. Sie tat das, sie kam nicht zur Arbeit, doch das Problem ist damit nicht gelöst: Darf eine städtische Angestellte in einer Burka arbeiten?

Auf keinen Fall, findet Markus Frank (CDU), Personaldezernent der Stadt. "Bei uns im Bürgeramt zeigen die Mitarbeiter Gesicht", sagt er, "das ist eine Grundvoraussetzung, um Vertrauen aufzubauen." Die Burka verhindere Bürgernähe, zudem sei sie mit der Emanzipation unvereinbar. Sollte die 39-Jährige tatsächlich vollverschleiert zur Arbeit kommen, würde sie wieder nach Hause geschickt, sagt Frank.

Im Römer, dem Rathaus, sind sich alle Parteien einig: Eine Burka im Bürgeramt sei unerträglich. "Notfalls müssen wir durch alle Instanzen gehen, bis zum Bundesverfassungsgericht, um eine Entscheidung zu erreichen", heißt es bei den Grünen, die Frankfurt gemeinsam mit der CDU regieren. Und Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) befindet: In dieser Frage gebe es keine Zugeständnisse.

Für Arbeitsrechtler dagegen ist der Fall nicht so einfach. Gesetzlich ist das Tragen einer Burka in Deutschland erlaubt, anders als zum Beispiel in Frankreich, wo Vollverschleierte seit diesem Jahr mit Geldstrafen rechnen müssen. Klar wäre die Rechtslage nur, wenn die Frau verbeamtet wäre: Das hessische Beamtengesetz verbietet bereits das Tragen eines Kopftuchs.

Am Dienstag kündigte Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) nun einen Erlass an, um Rechtssicherheit zu schaffen. Er soll allen Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst das Tragen einer Burka bei der Arbeit verbieten. Schließlich könne das Gewand "auch als Zeichen einer Haltung gegen die Werte der westlichen Welt verstanden werden".

Die Geschichte der 39-jährigen Frankfurterin ist jedoch eher eine traurige. Nach SZ-Informationen war die Frau gut integriert, leistete über Jahre gute Arbeit im Bürgeramt, völlig unverschleiert. Manche Kollegen bezeichneten sie als vorbildlich bei der Integration. Dann jedoch änderte sich ihr Leben. Vor einiger Zeit begann sie, ein Kopftuch zu tragen. Von Kollegen ist zu hören, dass es womöglich eine Erklärung für ihr Verhalten gibt: Sie habe erneut geheiratet, ihr neuer Ehemann sei strenggläubiger Muslim.

Die Stadt Frankfurt hat der Frau einige Tage Bedenkzeit gegeben. "Wir wollen den Druck rausnehmen und die Türe nicht zuschlagen", sagt Dezernent Frank. Außerdem verhandelt die Stadt mit dem Anwalt der 39-Jährigen. Offenbar fordert er eine Abfindung von sechs Monatsgehältern dafür, dass seine Mandantin ihren Arbeitsvertrag mit der Stadt auflöst. Einige Kommunalpolitiker hegen daher den Verdacht, dass hinter der Burka finanzielle Motive stecken. Auf solch einen Deal will sich die Stadt jedoch keinesfalls einlassen. "Sie kann gerne wieder bei uns arbeiten", sagt Frank. So wie früher. Mit Kopftuch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1054090
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.02.2011
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.