Süddeutsche Zeitung

SZ-Jobcoach:Ist unbegrenzter Urlaub seriös?

Lesezeit: 2 min

Die Mitarbeiter eines Kreativunternehmens dürfen laut Arbeitsvertrag selbst bestimmen, wie viele freie Tage sie nehmen. Was ist davon zu halten?

Von Ina Reinsch

SZ-Leser Konstantin L. fragt:

Ich habe kürzlich einen Arbeitsvertrag bei einer Firma im Kreativbereich unterschrieben, der mir im Nachhinein etwas Kopfzerbrechen bereitet. Bei der Urlaubsregelung heißt es sinngemäß, dass jeder Mitarbeiter im Rahmen und unter Berücksichtigung des zu leistenden Arbeitsumfangs selbst bestimmen kann, wie viele freie Tage im Jahr er nehmen möchte, der gesetzliche Mindesturlaub von 20 Tagen sei aber garantiert. Ich fand das zunächst großartig, da dies auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter setzt und damit ja auch 40 Tage Urlaub möglich sind, wenn es läuft. Nun habe ich mitbekommen, dass die meisten Kollegen kaum mehr als den Mindesturlaub nehmen. Für mehr Urlaub muss man sich rechtfertigen, er muss laut Vertrag im Team abgesprochen und vom Geschäftsführer genehmigt werden. Daher meine Frage: Ist diese Urlaubsklausel überhaupt rechtens?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr L., das Bundesurlaubsgesetz schreibt bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 20 Tage Urlaub pro Jahr vor. Das ist das Minimum an bezahlter Freistellung, das ein Arbeitgeber in Deutschland nicht unterschreiten darf. Es dient der Erholung des Beschäftigten und der Erhaltung seiner Arbeitskraft.

Dem Arbeitgeber steht es aber frei, seinen Mitarbeitern vertraglich mehr Urlaub zu gewähren. Auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sehen oft mehr als den gesetzlichen Mindesturlaub vor. Bei den vertraglichen Regeln sind heute 30 freie Tage keine Seltenheit. Sind diese vertraglich vereinbart, kann der Mitarbeiter sie auch guten Gewissens nehmen - er hat einen Anspruch darauf.

Die Klausel in Ihrem Arbeitsvertrag klingt in der Tat zunächst nach viel Freiheit und scheint wie gemacht für kreative Berufe: Wer gut arbeitet und seine Leistung bringt, soll ruhig ein paar Wochen mehr Urlaub machen können als andere Arbeitnehmer und seinen Geist neu beflügeln. Das kommt letztlich auch dem Arbeitgeber und seinen Kunden zugute.

Die Idee des unbegrenzten Urlaubs gibt es in den USA in einigen Branchen schon seit etwa 15 Jahren. Auch deutsche Unternehmen in der Kreativbranche und vor allem im Start-up-Bereich finden inzwischen Gefallen daran. Wenn die Arbeit immer flexibler wird, dann soll es auch der Urlaub werden. Würde die Vereinbarung in Ihrem Arbeitsvertrag tatsächlich so gelebt, wäre sie eine tolle Sache. Doch auch mich beschleicht das Gefühl, dass es sich hier um einen faulen Trick handelt.

Unwirksam ist die Klausel nicht, da sie den gesetzlich vorgesehenen Mindesturlaub garantiert. Einen echten Anspruch auf mehr freie Tage enthält sie aber auch nicht. Sie sagt nur, dass eine darüber hinaus gehende bezahlte Freistellung möglich ist, wenn es der Arbeitsumfang zulässt, im Team abgesprochen wurde und vom Geschäftsführer abgesegnet wird. Genau das scheint aber einen sozialen Druck dahingehend auszuüben, davon keinen Gebrauch zu machen.

Wer schon einmal etwa in einer Kreativagentur gearbeitet hat, weiß, dass es dort oft hart zugeht. Überstunden sind an der Tagesordnung, der Druck ist hoch. Nur wer abends als Letzter geht und bereit ist, die Wochenenden zu opfern, kommt weiter. Arbeitnehmer neigen dann dazu, eher zu wenig als zu viel Freizeit in Anspruch zu nehmen, um ihren unbedingten Leistungswillen zu demonstrieren.

Hinzu kommen Gruppendruck und schlechtes Gewissen. Wenn alle anderen auch so viel arbeiten, will man nicht in der Hängematte baumeln. Außerdem muss immer noch ein Projekt zu Ende gebracht oder der Vertrieb gepflegt werden. Beim "unbegrenzten" Urlaub profitieren daher meines Erachtens nur die Arbeitgeber, gewissenhafte Mitarbeiter haben das Nachsehen. Achten Sie trotzdem darauf, dass Sie sich ausreichend erholen, wenn sie viel arbeiten. Auch wenn 40 oder 50 Tage wohl nicht drin sind - ein durchschnittlicher Jahresurlaub von 25 bis 30 Tagen sollte es schon sein.

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