Süddeutsche Zeitung

Lohnungleichheit:Reporterin verliert gegen ZDF - das Problem bleibt

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Aus dem Gericht von Antonie Rietzschel

Als der Richter aus seinem Büro tritt, sind die Tische vor ihm leer. Weder die Journalistin Birte Meier ist zur Urteilsverkündung gekommen noch der ZDF-Anwalt. Dafür sind die Stühle im Zuschauerbereich voll besetzt, Mitglieder von Betriebsräten und auch die Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten sind darunter.

Sie sind hier, weil Birte Meier etwas getan hat, was sich nur wenige Frauen in Deutschland trauen: Die Journalistin verklagte ihren Arbeitgeber wegen Diskriminierung und ungleicher Bezahlung gegenüber ihren männlichen Kollegen - sie hatte im Gespräch mit einem Redakteur erfahren, dass der netto mehr verdient als sie brutto. Bei vergleichbarer Tätigkeit. Doch die Erfolgsaussichten in solchen Fällen sind gering, denn die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts muss einwandfrei nachgewiesen werden.

Beschäftigungsverhältnis wichtiges Thema

Das ZDF hatte während der Verhandlung einen Vergleich angestrebt: Meier sollte dafür die Mitarbeit beenden. Die Journalistin ließ es jedoch auf einen Richterspruch ankommen - und verlor.

Das Berliner Arbeitsgericht weist die Klage ab und damit die Forderung nach 70 000 Euro Entschädigung. Da die Prozessbeteiligten nicht anwesend sind, müsste der Richter keine offizielle Begründung abgeben. Er tut es trotzdem, zu groß ist das Interesse.

Wichtiger Ausgangspunkt ist das Beschäftigungsverhältnis von Birte Meier, das Laien Einblick gibt in die Arbeitsrealität von Journalisten. Zwar ist in Meiers Vertrag geregelt, dass sie 40 Stunden pro Woche für das ZDF arbeitet. Dennoch gilt sie als freie Mitarbeiterin. Und damit als selbständige Arbeitnehmerin mit frei einteilbarer Tätigkeit.

Der Anwalt von Birte Meier hatte während der Verhandlung darauf hingewiesen, dass seine Mandantin - egal, ob nun festangestellt oder nicht - die gleiche Arbeit wie ihre fest angestellten Kollegen verrichte. Nach europäischem Recht, das in dem Punkt viel weiter ist als deutsche Gerichte, müssten für die Entscheidung über Gleichbehandlung bei Gehaltsfragen die reinen Tätigkeiten verglichen werden. Bestehen keine Unterschiede, darf die Frau nicht geringer entlohnt werden. Doch das Berliner Arbeitsgericht hielt sich in seiner Urteilsbegründung rein an die Formalien: Birte Meier könne ihr Gehalt nicht mit dem eines fest angestellten Kollegen vergleichen, weil sie nicht den gleichen Status habe.

Meier wird in Berufung gehen

Meier arbeitet seit neun Jahren für das Politmagazin Frontal 21. Im Prozess forderte sie Einblick in die Lohnlisten ihrer Kollegen. Ihr Anwalt argumentierte auch hier mit europäischem Recht, wonach eine solche Auskunft aufgrund des Diskriminierungsverdachts möglich sei. Dem Richter zufolge konnte Meier eine Ungleichbehandlung nicht eindeutig nachweisen. Dass auch männliche Kollegen mit Freien-Status mehr verdienen, begründete der Richter mit der längeren Betriebszugehörigkeit.

Er betont, dies sei nicht sein Urteil, sondern die Entscheidung des Gerichts - eine Lehre aus der vorausgegangenen Berichterstattung, die auch sein Verhalten kritisierte. So hatte er erklärt, dass die ungleiche Bezahlung auch daher rühren könnte, dass Männer besser verhandeln könnten als Frauen; dass auch das Risiko einer Schwangerschaft eine Rolle spielen könnte. Die Frage nach und die Benachteiligung wegen einer tatsächlichen oder möglichen Schwangerschaft ist nach deutschem Arbeitsrecht allerdings widerrechtlich. Als von den Zuschauern auf die Aussagen des Richters hin Protest zu hören war, belehrte er die "Damen auf den billigen Plätzen".

Birte Meier hat angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen - auch wenn die Erfolgsaussichten schlecht bleiben. Ermutigt wird sie von Arbeitsrechtlern. "Ich finde die Klage an sich wahnsinnig wichtig, damit das Thema präsent bleibt", sagt die Rechtsanwältin Astrid Bendiks. Auch in ihrer Redaktion findet Meier Rückhalt. Im Sender soll eine Unterschriftenliste herumgegangen sein, zur Unterstützung der Kollegin. Ein Großteil der Unterzeichnenden sollen Männer sein.

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