Süddeutsche Zeitung

Kommunikation im Job:Denken Sie mit oder scrollen Sie nur?

Lesezeit: 3 min

Smartphones in Besprechungen sind ein Streitthema in vielen Unternehmen. Dabei könnten sie die Zusammenarbeit sogar verbessern.

Von Viola Schenz

Wie lange wird man sich noch erinnern an jene Zeit, als die Menschheit noch nicht ganztägig auf kleinen Bildschirmen herumwischte? Damals blätterten die Leute im Bus in riesigen Zeitungen statt auf Kleinstgeräte zu starren. Fremde fragten einen nach dem Weg. Paare schwiegen sich im Restaurant tatenlos an statt verstohlen ihre Mails abzufragen. Personen, die auf offener Straße laut Selbstgespräche führten, hielt man für verrückt, inzwischen handelt es sich meist um Wichtigtuer mit Freisprechanlage.

Vor zehn Jahren kam das erste iPhone auf den Markt, seitdem scheint die Kommunikation aus den Fugen geraten zu sein. Es wird zu wenig geredet, klagen die einen. Es wird zu viel geredet, klagen die anderen. Es wird das Falsche geredet, sagen Dritte.

Fakt ist: Smartphones sind Teil des Lebens geworden - privat wie beruflich. Bei Besprechungen hat man sich daran gewöhnt, dass die zuckenden, fiependen Dinger mit am Tisch sitzen. Im Großraumbüro gesellen sich zum Dauerklingeln der Telefone das Klicken, Platschen, Klopfen ankommender Botschaften. Konferenzen werden durchs Daddeln unterhalb der Tischkante erträglicher, und im Aufzug rettet einen der Blick auf den Bildschirm vor quälendem Smalltalk.

Neue Technologien befördern Gespräche sogar, sagt die Expertin

Machen Smartphones den Berufsalltag nun besser oder schlechter? Sind sie Lust oder Frust? Angela Keppler beschäftigt sich schon lange mit solchen Fragen. Die Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Mannheim hat in diversen Studien untersucht, wie technische Medien Teil des Alltags werden. Ihr Fazit: Kommunikation hat sich durch ihre ständige Verfügbarkeit dauerhaft verändert. Von einem Verkümmern der Gesprächskultur kann aber keine Rede sein.

Die neuen Technologien befördern und beleben vielmehr Gespräche. Man überprüft mal eben Tatsachen, erledigt manches nebenbei oder bezieht Abwesende in die Unterhaltung ein - alles Dinge, die bis vor Kurzem undenkbar waren, die jedoch eine Besprechung bereichern und beschleunigen können.

Trotz aller Faszination und Bequemlichkeit, die mit den Allround-Telefonen einhergehen - es bleibt ein Unbehagen. "Wir kommunizieren gleichzeitig mit Anwesenden und Abwesenden, damit geht Aufmerksamkeit verloren", sagt Keppler. "Und das wirkt auf viele unhöflich."

Neue Medien hatten es immer schwer. Sie stoßen erst mal auf Kritik und Skepsis, müssen sich vorwerfen lassen, der Kommunikation zu schaden. Radio, Fernseher und Computer erging es da nicht besser als dem Smartphone. "Medien dienten schon immer zugleich der Verbindung und der Abschottung. Wenn man sich in der Bahn in ein Buch oder eine Zeitung vertieft, ist das auch ein Signal, nicht angesprochen werden zu wollen", sagt Keppler.

Schon Platon kritisierte die Schrift als Verlust - verlernten die Menschen doch die mündliche Rede und mit ihr die Gabe für Rhetorik und Intonation. Dass der Mensch auch 2500 Jahre nach Platon durchaus redebegabt ist, beweisen Rhetorikgenies wie Barack Obama oder Joschka Fischer.

Anders als Radio, TV oder PC können Smartphones oder Tablets an Ort und Stelle ins Gespräch eingebunden werden, ohne dessen soziale Funktion zu untergraben. Das Display wird Teil der zwischenmenschlichen Interaktion, Informationen kann man ergänzen oder aktualisieren. Manche Morgenkonferenz muss nicht auf den Mittag vertagt werden, denn die fehlenden Unterlagen lassen sich schnell aus der Cloud ordern. Und wo früher eine Auftragsänderung hinterhergemailt und vom Außendienstmitarbeiter erst am Ziel geöffnet wurde, schafft heute eine SMS oder eine Whatsapp-Nachricht sofort Tatsachen.

Wie hält es Angela Keppler selbst mit dem Smartphone? Ist es bei Meetings dabei? "Nein, bewusst nicht", sagt die 62-Jährige, es bleibe in der Tasche. Der Sex-Appeal des Geräts ist verlorengegangen. "Die Zeiten, als alle wichtigen Menschen ihr Handy vor sich liegen hatten, sind vorbei."

Wenn es stressig ist, halten sich viele am Smartphone fest

So viel Selbstdisziplin bringen allerdings wenige Menschen auf, die meisten greifen während der Arbeit regelmäßig zum Smartphone. Wie sich das auf die Produktivität während eines Arbeitstages auswirkt, hat der Psychologe Christian Montag von der Universität Ulm kürzlich untersucht und 168 Frauen und 94 Männer befragt. Erwartbares Ergebnis: Kann jemand nicht die Finger vom Smartphone lassen, leidet darunter die Arbeit. Häufige Ablenkung durch das Smartphone und eine verminderte Produktivität und Effizienz hängen durchaus zusammen.

Man sollte das Gerät ab und zu vom Schreibtisch nehmen, rät Montag, und in der Schublade verschwinden lassen. Es lautlos zu stellen oder umzudrehen helfe nicht. Schon der Anblick des Geräts reiche meist aus, um abzulenken. Dabei gehe es den Menschen oft gar nicht mal darum, etwas Neues zu erfahren, so Montag. Nein, mit dem Griff zum Smartphone sollen möglicherweise Stress und Überforderung kompensiert werden.

Vielleicht sind Smartphones zu schnell über uns gekommen. Vielleicht müssen wir uns ihren Einsatz, den Umgang mit ihnen erst noch aneignen. So wie man Kindern mühsam beibringt, nicht stundenlang fernzusehen oder Videos zu spielen. "Ja, das wird man lernen müssen", sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Angela Keppler. Aber auch das zeichne den Menschen aus und gehe mit der Erfindung von Medien von Anfang an einher.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3715193
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.