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Koalitionsverhandlungen im Saarland:Angst um den Nachwuchs

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Das Gymnasium ohne fünfte Klasse: Die Aussicht auf eine Jamaika Koalition versetzt die Lehrer im Saarland in Sorge. Sie warnen vor einem "bildungspolitischen Sündenfall".

T. Schultz u. M. Widmann

Vertreter der Gymnasien sind beunruhigt über die Aussicht auf eine schwarz-gelb-grüne Koalition im Saarland. Der Philologenverband warnt die CDU vor einem "bildungspolitischen Sündenfall". Hintergrund sind Pläne der Grünen, die Grundschulzeit um ein Vorschuljahr und ein fünftes Schuljahr zu verlängern. Dadurch würde an den Gymnasien die fünfte Klasse entfallen. Die Grünen wollen mit ihrem Konzept für ein "längeres gemeinsames Lernen" allen Kindern bessere Bildungschancen ermöglichen. Union und FDP haben signalisiert, dass sie das Grünen-Konzept im Grundsatz mittragen können.

Die Union dürfe "ihre bildungspolitische Seele nicht an die Grünen verkaufen", sagt Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Philologenverbands. Wie es die CDU im Wahlkampf versprochen habe, müssten die Gymnasien "vollständig" erhalten werden. Auch die Vereinigung der saarländischen Gymnasialdirektoren warnt vor einem "G7", also einem auf sieben Schuljahre reduzierten Gymnasium. Leistungsstarken Kindern werde sonst die Grundlage für eine gute Schulbildung entzogen. Ähnliche Proteste von Gymnasiallehrern gibt es seit Monaten in Hamburg, wo der schwarz-grüne Senat bereits eine Verlängerung der Grundschulzeit beschlossen hat.

Ohne die Reform würde man "Potentiale der Schüler verschenken", mahnt der Bildungsexperte der saarländischen Grünen, Klaus Kessler. Er ist auch Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nach den Vorstellungen der Grünen soll es nach der Grundschule nur noch zwei Schultypen geben: das Gymnasium und sogenannte Gemeinschaftsschulen.

Das Sitzenbleiben wollen sie weitgehend abschaffen, nur noch auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern soll das Wiederholen einer Klasse möglich sein. Die individuelle Förderung der Schüler soll verstärkt werden. Auch an den Gemeinschaftsschulen, die alle Abschlüsse anbieten sollen, könnten leistungsstarke Jugendliche Abitur machen. Dabei hätten sie ein Schuljahr mehr Zeit als am Gymnasium. Mit ihrem Konzept folgen die Grünen einem bundesweiten Trend zu einem zweigliedrigen Schulsystem.

Anders als in den übrigen Bundesländern könnten sich bei den geplanten Reformen im Saarland jedoch Probleme mit der Landesverfassung ergeben. Sie macht in Artikel 27 genaue Vorgaben zur Schulstruktur. Gemeinschaftsschulen kommen darin nicht vor. Manche Experten halten auch eine Verkürzung der Gymnasialzeit für einen Verstoß gegen die Verfassung, die nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden kann. Eine neue Jamaika-Regierung bräuchte dazu die Stimmen von Linken oder SPD. Dass die Sozialdemokraten aus der Opposition heraus zustimmen könnten, nannte SPD-Chef Heiko Maas bereits "absurd".

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SZ vom 15.10.2009/holz
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