Süddeutsche Zeitung

Equal Pay Day:Wenn unfaire Bezahlung frustet

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Von Larissa Holzki und Henrike Roßbach, Berlin

An diesem Montag wird Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) Frauen und Männer auf Sockeln besichtigen. Nicht im Museum, sondern vor dem Brandenburger Tor, denn der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zu einer Performance in Sachen Equal Pay Day geladen. Verkleidet als Bauingenieurin, Sozialpädagogin, Konditorin, Bürokauffrau und Chemiearbeiterin werden Frauen auf unterschiedlich hohen Podesten stehen, die ihr Gehalt symbolisieren - neben sich jeweils ein Mann einige Stufen höher. Denn nach wie vor verdienen Männer hierzulande 21 Prozent mehr als Frauen. An diese Lücke erinnert der Equal Pay Day am 18. März: Gemessen am Jahreseinkommen der Männer haben Frauen bis zu diesem Tag quasi unentgeltlich gearbeitet.

Allerdings handelt es sich bei den 21 Prozent um eine "unbereinigte" Gehaltslücke. Dem Statistischen Bundesamt nach verdiente eine Frau im vergangenen Jahr im Schnitt 17,09 Euro in der Stunde, ein Mann 21,60 Euro. Nicht berücksichtigt ist allerdings, dass Frauen längere Kinderpausen machen, häufiger in Teilzeit arbeiten und seltener Führungspositionen erreichen. Tendenziell wählen Frauen zudem schlechter bezahlte Branchen und Berufe. So finden sich mehr Männer in gut bezahlten technischen Berufen in der Industrie, aber mehr Frauen in schlecht bezahlten sozialen Berufen und im Dienstleistungssektor.

Werden solche Faktoren herausgerechnet, bleibt eine bereinigte Lohnlücke übrig. Bei "vergleichbarer Tätigkeit und äquivalenter Qualifikation" verdienen Frauen dem Statistischen Bundesamt nach immer noch sechs Prozent weniger als Männer. Zu berücksichtigen ist bei der Rechnerei aber, dass Frauen finanziell nachteilige Karriereentscheidungen nicht immer freiwillig treffen; auch fehlende Kinderbetreuung oder gesellschaftliche Normen spielen eine Rolle. Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter forderte am Wochenende "Schluss mit Ideologiedebatten um verzerrte Zahlen". Notwendig seien eine "klischeefreie Studien- und Berufsorientierung" und eine "bedarfsgerechte Ganztagskinderbetreuung in Kita und Schule".

Ministerin Giffey betonte, dass 21 Prozent Lohnunterschied am Ende zu 53 Prozent Rentenunterschied führten. "Das ist inakzeptabel und muss geändert werden." Notwendig seien auch "rechtliche Rahmenbedingungen, um das zu ändern". Als Beispiel nannte sie Sanktionen für Firmen, die trotz Verpflichtung keine Zielgröße für Frauen im Vorstand melden oder ohne Begründung "null Frauen" als Ziel nennen. Wichtig sei zudem die Aufwertung sozialer Berufe. Auch Unionsfraktionsvize Nadine Schön setzt auf eine Aufwertung dieser Berufe, auf eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbsarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung und auf "Führen in Teilzeit".

"Wenn wir gleiche Rechte für alle wollen, dann müssen Gesetze auch alle Betroffenen erfassen"

Problematisch ist auch die mangelnde Transparenz. In Schweden sind Steuererklärungen öffentlich. In Deutschland wissen dagegen Frauen oft nicht, ob sie beim Gehalt diskriminiert werden. Eigentlich sollte das Entgelttransparenzgesetz aus der vergangenen Legislaturperiode für Besserung sorgen. Der Auskunftsanspruch über das Gehalt des Kollegen in gleicher Position aber wird wenig in Anspruch genommen. Mit ein Grund: Mehr als die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in Betrieben mit höchstens 200 Mitarbeitern; das hat sich die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Susanne Ferschl, vom Statistischen Bundesamt ausrechnen lassen. Diese Unternehmen aber sind von der Auskunftspflicht ausgenommen. "Wenn wir gleiche Rechte für alle wollen, dann müssen Gesetze auch alle Betroffenen erfassen", sagte Ferschl der SZ. Giffey verwies auf die geplante Überprüfung des Entgelttransparenzgesetzes. "Danach entscheiden wir, ob und wie nachgesteuert wird."

Auch jenseits der Politik finden sich Befürworter strengerer Transparenzregeln. Wer Firmenwagen an seine Lieblingsmitarbeiter verteilt, ließe das bleiben, sobald er das vor der gesamten Belegschaft rechtfertigen muss, sagt etwa der ehemalige Adidas-Personalchef Matthias Malessa. Timo Lehne, Geschäftsführer der Personalberatung SThree, rät zur Bezahlung nach einem offenen Vergütungssystem: Jeder, der eine bestimmte Funktion auf einem bestimmten Level ausübt, soll das gleiche Gehalt bekommen. Zusätzlich könnten leistungsabhängige Boni in einem bestimmten Rahmen vereinbart werden. "Viele Firmen wollen Gehälter geheim halten, um Wunschmitarbeiter flexibel zu besseren Konditionen einstellen zu können", sagt er. "Aber wenn herauskommt, dass unfair bezahlt wird, ist der Frust groß."

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SZ vom 18.03.2019
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