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Bewerber auf dem Ausbildungsmarkt:Raus aus der Warteschleife

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Es sieht alles ganz rosig aus: 2010 gab es laut dem neuesten Berufsbildungsbericht 17.000 Ausbildungsstellen mehr als Bewerber. Trotzdem finden viele Absolventen keine Stelle - und die Unternehmen plagen ganz andere Sorgen.

Gute Aussichten für Absolventen: Die Ausbildungssituation in Deutschland hat sich im Vorjahr weiter verbessert. Das geht aus dem Berufsbildungsbericht 2011 hervor, den Bundesbildungsministerin Annette Schavan am Mittwoch in Berlin vorstellte und der zuvor Thema im Bundeskabinett war. Demnach liegt die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen mit rund 580.000 deutlich höher als die vorausgesagten 563.000.

"Der wirtschaftliche Aufschwung hat den Ausbildungsmarkt erreicht", sagte die CDU-Politikerin. Rund 560.000 Ausbildungsverträge wurden nach Ministeriumsangaben im Jahr 2010 geschlossen. Das entspricht einem Minus von 0,8 Prozent. Die Zahl der Altbewerber ging von 2008 bis 2010 um fast ein Drittel zurück.

Zudem landen immer weniger junge Menschen im "Übergangssystem" zwischen Schulabschluss und Berufseinstieg. 94.000 Jugendliche weniger nahmen in den vergangenen fünf Jahren diese Warteschleifen vor dem Start in eine berufliche Ausbildung (-22,5 Prozent). Die Einsetzung von Bildungslotsen, die Schüler ab der siebten Klasse bei der Berufswahl unterstützen, hätten zu der Reduzierung beigetragen, erklärte Schavan. "Prävention statt Reparatur ist das Ziel der Initiative." Z

Auch die Zahl der Ausbildungsbewerbungen nimmt aufgrund der demografischen Entwicklung immer weiter ab. 13 Prozent weniger als im Vorjahr seien es 2010 gewesen, sagte Schavan, über 19.000 Ausbildungsplätze hätten nicht besetzt werden können. Rund 12.000 Bewerber blieben ohne Jobangebot.

Dem daraus resultierenden Fachkräftemangel soll durch die kürzlich vom Kabinett beschlossene einfachere Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse entgegengewirkt werden. Weitere Schritte seien eine vereinfachte Zuwanderung vor allem für Fachkräfte aus technischen Berufen und eine bessere Qualifizierung der deutschen Jugendlichen.

Keine Ruhephase für Arbeitgeber

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wollen sich auf den positiven Zahlen nicht ausruhen. Der konjunkturelle Schwung müsse auch für Jugendliche genutzt werden, die bisher Schwierigkeiten hatten, eine passende Lehrstelle zu finden. Ein Beispiel seien junge Migranten, die künftig von einer engeren Kooperation zwischen Schulen mit einem hohen Migrantenanteil und Unternehmen profitieren sollen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte mehr Ausbildungsplätze an Schulen zu schaffen. "Wenn die Unternehmen nicht willens und in der Lage sind, genügend Ausbildungsverträge anzubieten, muss der Staat in die Bresche springen", sagte GEW-Vorstandsmitglied Stephanie Odenwald. Das sei sinnvoller, als Jugendliche Jahr für Jahr in Warteschleifen abzuschieben.

Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der SPD-Arbeitsgruppe Bildung und Forschung, sagte: "Es handelt sich um einen Bericht mit Licht und Schatten." Es sei erfreulich, dass sich die Wirtschaft auch gegenüber Altbewerbern öffne, dennoch seien weitere Anstrengungen nötig. Der nächste Schritt müsse eine Ausbildungsgarantie sein, um einem Fachkräftemangel vorzubeugen.

Verschleierung der Fakten?

Kritik kam von den anderen Oppositionsparteien. Priska Hinz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, warf der Bundesregierung Konzeptlosigkeit vor. Schavan solle sich nicht länger auf den Ausbildungspakt und die demografische Entwicklung verlassen, sondern eine in der Regierung abgestimmte Strukturreform einleiten. Vor allem das "Übergangssystem" müsse reformiert werden.

Die Linkspartei warf Schavan "Verschleierung" der Fakten vor. Bewerber mit unbekanntem Verbleib würden als vermittelt mitgezählt. "1,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsabschluss werden in der Statistik nicht erfasst", erklärte Agnes Alpers, Expertin der Linken für berufliche Aus- und Weiterbildung. Trotz der guten konjunkturellen Lage gebe es noch immer weniger Ausbildungsplätze als vor der Wirtschaftskrise. "Schavan lässt Hunderttausende im Regen stehen", kritisierte Alpers.

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