Süddeutsche Zeitung

Herzleiden:Warum Vorhofflimmern bei Frauen unterschätzt wird

Lesezeit: 2 min

Lange dachte man, Frauen seien teils vor der häufigsten Herzrhythmusstörung geschützt. Nun zeigt sich: Eine Frau, die so groß und so schwer ist wie ein Mann, hat sogar ein höheres Risiko.

Von Liesa Regner-Nelke

Frauen haben ein größeres Risiko als Männer, an Vorhofflimmern zu erkranken - wenn man Personen gleicher Körpergröße betrachtet. Bisher hatten viele Studien ergeben, dass Männer mehr zu einer solchen Herzrhythmusstörung neigen als Frauen. Der neuen Studie zufolge ist dieses Ergebnis allerdings darauf zurückzuführen, dass Männer im Schnitt größer und schwerer sind als Frauen und mit der Körpergröße und dem Gewicht das Risiko für diese Erkrankung steigt.

Andere Risikofaktoren sind Alter, ethnische Herkunft oder Bluthochdruck, sie ändern aber nichts am Geschlechterverhältnis. Die Studie der Gruppe um Christine Albert vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles (Kalifornien, USA) ist im Fachjournal JAMA Cardiology erschienen.

Es war Medizinern bisher ein Rätsel, weshalb Männer anscheinend ein größeres Risiko für ein Vorhofflimmern haben. "Unsere Studie deutet jedoch überraschenderweise darauf hin, dass bei gleicher Körpergröße eines Mannes und einer Frau die Frau ein höheres Risiko hat, Vorhofflimmern zu entwickeln", wird Albert in einer Mitteilung ihres Instituts zitiert.

Bei Patienten der gleichen Körpergröße haben Frauen ein 39 Prozent höheres Risiko

Damit habe sich die Herangehensweise bei der Suche nach der Ursache für die Geschlechtsunterschiede grundlegend geändert: "Anstatt zu fragen, warum Frauen geschützt sind, müssen wir nun versuchen zu verstehen, warum Frauen einem höheren Risiko ausgesetzt sind." Die Analyse des Forscherteams ergab: Bei Männern und Frauen derselben Körpergröße haben Frauen ein bis zu 39 Prozent höheres Risiko, ein Vorhofflimmern zu entwickeln. Wenn man zusätzlich das Körpergewicht berücksichtigt, ist das Risiko sogar um 49 Prozent höher.

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und betrifft ein bis zwei Prozent der Allgemeinbevölkerung. Die Vorhöfe des Herzens schlagen hierbei nicht im natürlichen Rhythmus, sondern bewegen sich unkontrolliert. Durch diesen unregelmäßigen Herzschlag wird das Blut nicht gleichmäßig durch die Herzhöhlen transportiert. Dadurch können Verklumpungen, sogenannte Thromben, entstehen. Werden diese Thromben mit dem Blutfluss in den Körperkreislauf gebracht, können Gefäße verstopfen. In der Folge werden Organe vermindert oder gar nicht durchblutet. Ein Thrombus, der in den Blutkreislauf des Gehirns gelangt, kann somit einen Schlaganfall verursachen.

Symptome von Vorhofflimmern können Herzrasen, ein unregelmäßiger Puls, innere Unruhe oder auch Schwindel und plötzliche Bewusstlosigkeit sein. Oft bleibt die Erkrankung jedoch von den Betroffenen unbemerkt. Wird ein Vorhofflimmern festgestellt, dann ist es vom individuellen Risiko sowie den Beschwerden der Person abhängig, ob eine Therapie notwendig ist. Behandelt wird zum einen die erhöhte Frequenz, mit der die Herzvorhöfe schlagen, aber auch das Risiko für die Entstehung von Thromben. In besonderen Fällen kann das Herz medikamentös oder elektrisch wieder in den natürlichen Rhythmus versetzt werden.

In die aktuelle Untersuchung wurden mehr als 25 000 Frauen und Männer ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen November 2011 und März 2014 einbezogen. Die Männer waren 50 Jahre oder älter, die Frauen 55 Jahre oder älter. 51 Prozent der Studienteilnehmer waren Frauen, 20 Prozent dunkelhäutig. Sie wurden zwischen 5,1 und 5,7 Jahre lang nachverfolgt.

Bei den meisten körperlichen Merkmalen und Risikofaktoren zeigten sich nur sehr geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wenn die Forscher allerdings in der Analyse das Körpergewicht oder die Körpergröße konstant hielten, ergab sich ein größeres Vorhofflimmern-Risiko für Frauen. "Vorhofflimmern ist eine Krankheit, die wir verhindern wollen, unabhängig vom Geschlecht", betont Albert. Die medizinische Fachwelt solle die Ergebnisse zum Anlass nehmen, um mit allen Patienten, ob männlich oder weiblich, über das Risiko von Vorhofflimmern zu sprechen.

Mit Material von dpa

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