Süddeutsche Zeitung

Influenza:Vogelgrippe auf der Nerzfarm

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Das H5N1-Virus kann nun womöglich auch von Säugetier zu Säugetier übertragen werden. Ist der Erreger damit für den Menschen gefährlicher geworden?

Von Werner Bartens

Sichere Beweise gibt es nicht. Aber nach drei Jahren Pandemie möchte sich niemand nachsagen lassen, frühe Hinweise auf gefährliche Viren unterschätzt zu haben. Insofern ist es verständlich, dass Experten von einem Vogelgrippe-Ausbruch auf einer spanischen Nerzfarm beunruhigt sind, zu dem es bereits im Oktober 2022 gekommen ist. Immerhin gibt es Anzeichen dafür, dass sich das Vogelgrippe-Virus H5N1 an Säugetiere angepasst haben könnte - und damit mittelfristig womöglich auch für Menschen gefährlicher wird.

Während des Ausbruchs in Spanien könnte es dazu gekommen sein, dass sich der Erreger von Säugetier zu Säugetier - also von Nerz zu Nerz - ausgebreitet habe, sagte Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit, kürzlich in einem Interview mit der dpa. Die Erreger sind schon vorher vereinzelt in anderen Säugetierarten, etwa Füchsen, Waschbären, Mardern oder Seehunden gefunden worden. Im US-Bundesstaat Montana infizierten sich Mitte Januar drei junge Grizzly-Bären mit H5N1 und wurden daraufhin getötet. Die Ereignisse in der spanischen Nerzzucht könnten aber ein Hinweis auf einen weiteren Anpassungsschritt des Virus gewesen sein, so Mettenleiter, der von einem "Warnsignal" sprach.

Unter Vögeln grassiert die größte je dokumentierte Welle von Vogelgrippe

Bereits während der weltweiten Ausbreitung von H5N1 in den Jahren 2004 bis 2006 wurde immer wieder darüber spekuliert, ob eine Infektion zwischen Säugetieren möglich wäre. Bisher sind Übertragungen zwischen verschiedenen Tierarten eher einzelne Ereignisse gewesen, bei denen das Virus von einem Vogel auf einen Säuger gelangt ist. Der Vogelgrippe-Ausbruch auf der Nerzfarm könnte jedoch für eine Veränderung des Virus sprechen und zeigt zudem zum wiederholten Male die Risiken der Nerzzucht auf. In solchen Farmen hatte sich auch das Coronavirus verbreitet und rapide unter den Tieren vermehrt.

Derzeit grassiert in mehreren Erdteilen die größte je dokumentierte Vogelgrippewelle bei Vögeln. Sind mehr Viren im Umlauf, werden Mutationen wahrscheinlicher. Zudem bekommt der Erreger mehr Gelegenheit, auf Säugetiere überzugehen. Die engen Haltungsbedingungen der Nerze in Farmen begünstigen die Ausbreitung der Viren; wiederholt waren Massentötungen in Nerzfarmen notwendig geworden, weil es dort zu Ausbrüchen diverser Erreger kam.

Der Virologe Thomas Peacock vom Imperial College in London hält die Befunde aus Spanien laut Fachmagazin Science für "unglaublich besorgniserregend" ("incredibly concerning"). Er sieht darin zudem "einen klaren Mechanismus, wie eine H5-Pandemie starten" könnte.

Nachdem im Oktober im spanischen Galizien etliche Nerze gestorben waren und das H5N1-Virus als Auslöser identifiziert wurde, sind mehr als 50 000 Tiere auf der Farm getötet und ihre Kadaver vernichtet worden. Von den Mitarbeitern des Zuchtbetriebs wurde offenbar niemand infiziert. Menschen stecken sich weniger leicht mit der Vogelgrippe an, da die Rezeptoren, an die das Virus in den Atemwegen von Vögeln andockt, bei Säugetieren seltener vorkommen. Während der derzeitigen H5N1-Welle sind weniger als ein Dutzend Infektionen bei Menschen dokumentiert.

Bisher wurde vermutet, dass sich Säugetiere infizieren, indem sie Wildvogelkot aufnehmen oder nachdem sie Tiere erbeutet haben, die an der Vogelgrippe erkrankt sind. Breitet sich das Virus unter Säugetieren jedoch schnell aus wie in Spanien, könne das für bedrohliche Mutationen in der Tierwelt sprechen, auch wenn das derzeitig grassierende Virus für Menschen weniger gefährlich zu sein scheint. Dies könnte allerdings auch eine schlechte Nachricht sein, so Mettenleiter, weil es für das Virus dann womöglich einfacher wäre, sich "unter dem Radar" hin zu gefährlicheren Varianten zu entwickeln und zu verbreiten.

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