Süddeutsche Zeitung

Mangel an Spenderorganen:Systemfehler der Organspende

Trotz eklatanten Organmangels zögern auch Ärzte: Kliniken melden seltener potenzielle Organspender. Der Zweifel resultiert nicht nur aus dem Organspende-Skandal, sondern auch aus einer ungeklärten Frage: Wem helfen die Organe am meisten?

Ein Kommentar von Nina von Hardenberg

Wer spendet, möchte, dass die Hilfe ankommt. Das ist bei Geld für Flutopfer nicht anders als bei Organen. Nach Manipulationen an Transplantationszentren haben viele Menschen zu zweifeln begonnen: In den ersten neun Monaten 2013 gab es elf Prozent weniger Spenden als noch 2012. Verunsichert sind offenbar nicht nur potenzielle Spender und Angehörige, sondern auch Ärzte: Denn die Kliniken melden seltener, dass bei ihnen sterbenskranke Menschen liegen, die als Spender infrage kommen.

Misstrauen ist angebracht. Nicht nur, weil derzeit ein Göttinger Arzt vor Gericht steht, der sogar Patienten neue Lebern verpflanzt haben soll, denen es ohne Operation vielleicht besser gegangen wäre. Als Einzeltat würde dies kaum Vertrauen erschüttern. Hinzu kommt aber der Verdacht, dass unter dem derzeitigen System die Organe nicht immer die richtigen Patienten erreichen. Lebern etwa erhalten vor allem sehr kranke Menschen. Manche sind so krank, dass sie trotz OP sterben.

Wem helfen die Organe am meisten? Die Antwort kennt bisher niemand genau. Studien fehlen. Da muss es nicht wundern, wenn Zweifel aufkommen. Der Skandal wirkt hier immerhin positiv: Endlich soll ein Transplantationsregister aufgebaut werden, das die Daten von Spendern, Warteliste und Operationsverlauf zusammenführt. Wer diese Daten auswertet, kommt der Antwort näher. Und kann dann ehrlicher um Vertrauen werben.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2013
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