Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Sind kalorienreduzierte Lebensmittel ungesund?

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Der Zuckeraustauschstoff Erythrit erhöht möglicherweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Von Katharina Osterhammer

Erythrit gilt eigentlich als besonders gut verträglicher Zuckeraustauschstoff und wird häufig in kalorienreduzierten Lebensmitteln verwendet. Eine Studie unter Beteiligung der Berliner Charité, die am Montag im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht wurde, will nun einen Zusammenhang zwischen Erythrit und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie einer gesteigerten Blutgerinnung festgestellt haben. Unabhängige Wissenschaftler halten die Studie jedoch für nur wenig aussagekräftig.

Im Rahmen der Studie unter der Leitung des Kardiologen Stanley Hazen von der Cleveland Clinic in Ohio wurden unter anderem Blutproben von fast 1200 Personen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen untersucht. Bei Probandinnen und Probanden, bei denen es innerhalb des Beobachtungszeitraumes von drei Jahren zu einer schweren Herz-Kreislauf-Komplikation wie etwa einem Herzinfarkt kam, wurde ein gesteigerter Erythrit-Wert im Blutplasma gemessen. Weitere Experimente zeigten, dass Erythrit in Laborversuchen zu einer beschleunigten Gerinnungsbildung führt.

Wissenschaftler, die an der Studie nicht beteiligt waren, sehen in ihr zwar einen wichtigen Schritt, um auf die Wissenslücke über Süßungsmittel und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit aufmerksam zu machen. Trotzdem finden sie in der Erhebung mehrere Schwachstellen.

Die Hauptkritik betrifft die ausgewählten Studienteilnehmer. Nachdem es sich dabei nicht um gesunde Menschen handelt, sondern um solche mit bereits erhöhtem Risiko für kardio-vaskuläre Erkrankungen, ist unklar, ob der erhöhte Erythrit-Wert ursächlich für die festgestellten Probleme ist - oder nur Begleiterscheinung bereits vorhandener Erkrankungen.

Weil auch keine Vergleichsgruppen ohne erhöhtes gesundheitliches Risiko einbezogen wurden, lässt sich somit kein Rückschluss auf die Wirkung von Erythrit auf gesunde Menschen ziehen. Harald Schulze, Professor für Experimentelle Hämostaseologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg betont: "Die hier beobachteten Ergebnisse sind rein deskriptiv und korrelativ." Wegen des Studiendesigns könne Erythrit nicht als Ursache für kadiovaskuläre Erkrankungen ausgemacht werden.

Dazu kommt, dass unklar ist, in welchen Mengen die Studienteilnehmer das Süßungsmittel vor der Blutabnahme zu sich genommen haben. Dementsprechend lässt sich auch keine Aussage darüber machen, ab welcher Menge Erythrit tatsächlich die unterstellten Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System hätte.

Erythrit zu messen, ist schwierig: Menschliche Körper können es in geringem Ausmaß selbst produzieren. Weil die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit außerdem keine gesundheitlichen Bedenken gegenüber der Zuckeralternative äußerte, muss die zugesetzte Menge nicht deklariert werden.

Durch verschiedene Tests konnte das Team um Stanley Hazen allerdings zeigen, dass Erythrit in sehr hoher Dosierung tatsächlich den Gerinnungsprozess beeinflusst. Stefan Kaibisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité in Berlin betont allerdings: "Die in den Zell-, Tier- und Humanexperimenten der Publikation eingesetzte Dosis ist im Vergleich zu den gemessenen Spiegeln der Kohorten äußerst hoch und somit von den meisten Menschen nicht durch die Ernährung erreichbar." Für eine Warnung vor Zuckerersatzstoffen sei es zu früh, sagt Kabisch. "Der Wechsel zurück zum Zucker ist vermutlich nicht der gesündere Weg." Für künftige Untersuchungen regt er den Vergleich mit anderen, weit verbreiteten Süßungsmitteln, wie Xylit an.

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