Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Zu wenig Salz kann schädlich sein

Lesezeit: 2 min

Von Hanno Charisius

Lange galt für Salz in der Nahrung: Je weniger, desto besser. Doch diese Faustregel könnte für die meisten Menschen eher gefährlich sein. Klar ist, dass zu viel Salz den Druck in den Blutgefäßen ungesund ansteigen lässt. Doch in den letzten Jahren zeigte eine Reihe von Studien, dass zu wenig Salz auch nicht gesund ist. Eine neue Untersuchung legt jetzt sogar nahe, dass zu wenig Salz selbst für Menschen mit hohem Blutdruck schädlich sein kann.

Ein internationales Forscherteam um den Biostatistiker und Epidemiologen Andrew Mente von der McMaster University wertete Daten von 133 118 Studienteilnehmern aus 49 Ländern aus. Die statistische Analyse zeigt, dass niedriger Salzkonsum von weniger als 7,5 Gramm am Tag zu mehr Herzinfarkten, Schlaganfällen und insgesamt mehr Toten führt als eine durchschnittliche Salzaufnahme. Dabei war es gleichgültig, ob die Studienteilnehmer erhöhten Blutdruck hatten oder nicht.

Verzicht macht Sinn, extremer Verzicht nicht

Die gängige Empfehlung für Bluthochdruckpatienten, so wenig Salz wie möglich zu essen, wird durch diese Untersuchung infrage gestellt. "Unsere Daten zeigen klar, dass es für Menschen mit Bluthochdruck wichtig ist, ihren Salzkonsum zu reduzieren", sagt Mente. Extrem niedrige Salzmengen seien aber nicht gesundheitsfördernd. Das richtige Maß liegt laut Mente für alle Menschen irgendwo zwischen 7,5 und 15 Gramm Salz am Tag. Bei Bluthochdruck sollten die 15 Gramm laut Mente aber noch weniger überschritten werden als bei normalem Druck in den Adern. Ein Zuviel sei für Bluthochdruckpatienten noch gefährlicher als für die Normalbevölkerung.

Vollkommen eindeutig ist, dass der Blutdruck durch salzarme Kost sinkt, weshalb die WHO auch sehr niedrige Höchstwerte für die tägliche Dosis Salz ansetzt, nämlich fünf Gramm - etwa soviel wie in hundert Gramm Schinken. In einer Pizza ist meist mehr. Im Jahr 2014 berechneten der Kardiologe Dariush Mozaffarian von der Harvard University und seine Kollegen, dass sich weltweit jedes Jahr 1,65 Millionen Todesfälle vermeiden ließen, wenn sich alle Menschen an die von der WHO empfohlene Höchstgrenze halten würden.

Doch es gibt eben auch die Studien, die zeigen, dass zu wenig Salz ebenfalls nicht gesund ist. Eine Untersuchung ergab etwa, dass Studienteilnehmer, die weniger als sechs Gramm Salz täglich aufnahmen, oft ein kürzeres Leben hatten als Normalesser. Erst oberhalb von 13 Gramm Tagesdosis stieg die Sterblichkeit wieder. Zu wenig Salz führe zur vermehrten Ausschüttung einiger Hormone, was die Vorteile des erniedrigten Blutdrucks wieder aufhebe, erklärt Mente. Weltweit sterben dennoch mehr Menschen durch zu viel als durch zu wenig Salz. Verzicht ist also nicht unsinnig. Mente mahnt jedoch, es nicht zu übertreiben. "Vor allem Menschen mit Bluthochdruck und hohem Salzkonsum sollten zur Reduktion bewegt werden", lautet das Fazit seines Teams im Fachblatt Lancet. Noch schwieriger als die richtige Menge festzulegen ist es, dem weißen Streugut aus dem Weg zu gehen. 80 Prozent der täglichen Salzmenge kommen versteckt in Brot, Käse, Wurst, Kantinenessen und Fertigprodukten. Deshalb fordern Ernährungsmediziner endlich verbindliche Vorgaben für die Industrie.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3000912
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.05.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.