Süddeutsche Zeitung

Ebola in Texas:Reihe von Fehltritten

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Die Klinik in Texas war offenbar schlicht überfordert. Erst schickte sie den Ebola-Patienten wieder nach Hause, dann konnte sie nicht verhindern, dass sich zwei Pflegekräfte mit dem Virus infizierten.

Von Kai Kupferschmidt

In den USA hat sich eine zweite Krankenhausmitarbeiterin mit dem Ebola-Virus angesteckt. Ein erster Test in der Nacht auf Mittwoch sei positiv gewesen, erklärte die US-Seuchenschutzbehörde CDC. Die Patientin habe Fieber und sei isoliert worden.

Der Pflegerin ist eine von 76 Personen an der Klinik in Dallas, die Kontakt mit dem ersten Ebola-Fall in den USA hatten, einem Mann aus Liberia, der am 19. September von Monrovia nach Texas gereist war. Die Krankenschwester hatte einen Tag vor Ausbruch der Krankheit eine Flugreise unternommen. Sie sei am Montag von Cleveland nach Dallas-Fort Worth geflogen, teilten die Gesundheitsbehörden am Mittwoch mit. Den Behörden zufolge hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits erhöhte Temperatur. Die Gefahr einer Ansteckung sei jedoch "sehr gering" gewesen, hieß es. Die Fluggesellschaft Frontier Airlines nahm deshalb zu den übrigen 132 Passagieren Kontakt auf. Sollte für einige der Fluggäste ein Risiko bestehen, würden sie überwacht, teilte das CDC mit.

Präsident Barack Obama sagte eine Inlandsreise ab und setzte ein Treffen im Weißen Haus zu Ebola an. Insgesamt werden bislang 125 Menschen überwacht, die Kontakt mit dem liberianischen Patienten hatten. Bei einer Krankenschwester wurde die Krankheit in der vergangenen Woche diagnostiziert. Ein Sprecher des CDC bezeichnete ihren Zustand als "gut". Auch in Spanien hat sich eine Krankenschwester bei der Behandlung eines Ebola-Patienten angesteckt.

Das Virus breitet sich in Westafrika weiter aus. Etwa 9000 Fälle sind bisher gemeldet worden, die wirklichen Zahlen liegen aber wahrscheinlich deutlich höher. Ärzte und Krankenschwestern sind besonders gefährdet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich bereits mehr als 400 von ihnen angesteckt.

"Das Problem sind die ungeheuren Mengen an Viren, die so ein Patient in sich trägt", sagt Bernhard Fleischer, Leiter des Referenzzentrums für Tropische Infektionserreger am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg. "Die können in ihrem Blut bis zu zwei Milliarden Viruspartikel pro Milliliter tragen. Da enthält ein winziger Spritzer Millionen Viruspartikel." Das Virus sei auch nach Stunden auf Handschuhen, am Lichtschalter oder der Türklinke noch infektiös. "Da muss man höllisch aufpassen."

Die Ereignisse zeigten, dass das Virus in den USA unterschätzt worden sei, sagt Michael Osterholm, Epidemiologe am Zentrum für Infektionskrankheiten der Universität von Minnesota. "Vor sechs Monaten hätte das niemand für möglich gehalten, dass sich hier zwei Pflegekräfte mit Ebola anstecken." Das Krankenhaus sei überfordert gewesen, sagt Osterholm. Inzwischen sei es mit Ebola-Experten "überflutet". Das CDC hat angekündigt, in Zukunft bei einem Ebola-Fall innerhalb von Stunden ein Expertenteam zu schicken. Deutsche Forscher haben Konsequenzen aus dem Ausbruch gefordert. Die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen müsse beschleunigt werden, schreiben sie in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. "Die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten kann nicht nur marktwirtschaftlichen Prinzipien unterliegen."

Die Welt müsse sich auf weitere Ausbrüche gefährlicher Erreger gefasst machen, schreiben die Forscher. Darum "sollte die Behandlung von Patienten mit hochpathogenen Viren in der Ausbildung von medizinischem Personal ein stärkeres Gewicht erhalten".

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SZ vom 16.10.2014
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