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DNA-Analyse in der Schwangerschaft:Embryo-Erbgut ohne Eingriff entziffert

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Etwas Blut und Speichel der Eltern genügten US-Wissenschaftlern, um das Erbgut eines Embryos zu analysieren. Ihre Arbeiten sollen den Weg für neue vorgeburtliche Tests ebnen.

US-Forscher haben das komplette Genom eines ungeborenen Kindes allein durch DNA-Analysen mütterlichen Bluts und väterlichen Speichels entziffert. Noch ist das Verfahren sehr aufwändig und teuer, doch die Wissenschaftler von der Universität von Washington in Seattle hoffen, dass auf Basis ihrer Arbeiten künftig bezahlbare Bluttests für Schwangere entwickelt werden. Mit diesen Tests könnten beim Ungeborenen jene Krankheiten entdeckt werden, die durch Veränderung eines einzelnen Gens verursacht werden.

Den Forschern zufolge gibt es mehr als 3000 derartige Störungen. Einzeln genommen sind sie selten, betreffen aber insgesamt etwa ein Prozent aller Neugeborenen. Zu den gravierenden Krankheiten gehört zum Beispiel die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose. Die Studie wurde im Fachjournal Science Translational Medicine veröffentlicht.

"Das ändert die Perspektive auf vorgeburtliche Untersuchungen fundamental", kommentierte der Humangenetiker und Medizinethiker Wolfram Henn von der Universität des Saarlandes die Studie.

Schon 2010 konnten Wissenschaftler aus Hongkong 94 Prozent der kindlichen DNA aus dem Blut der Mutter fischen und sequenzieren. Mit Hilfe statistischer Methoden zogen sie Rückschlüsse auf das gesamte Erbgut des Fötus. Später verglichen sie ihre Ergebnisse mit dem Genom im Nabelschnurblut des Neugeborenen. Sie analysierten, welche genetischen Varianten von den Eltern auf das Kind übertragen wurden, und fanden heraus, welche sich durch spontane Mutationen entwickelt haben mussten. Den Angaben zufolge entdeckten sie 39 von 44 neu entstandenen Mutationen, als das Kind noch ein Fötus war.

"Die Veröffentlichung ist der Beweis, dass es prinzipiell technisch möglich ist, sämtliche genetische Informationen eines Menschen schon vor der Geburt zu ermitteln, ohne das Kind anzutasten", sagte Medizinethiker Henn. Auch verdeckte Anlagen, die sich erst in der übernächsten Generation als Erbkrankheit zeigten, würden erkannt. Allerdings muss laut Henn noch überprüft werden, ob der Test "solide" ist. Die Wissenschaftler selbst erklärten, die Methoden müssten noch verbessert werden.

Es existiert bereits ein Test, mit dem das Down-Syndrom durch eine Analyse des mütterlichen Bluts erkannt werden kann. Erwartet wird, dass er dieses oder kommendes Jahr in Deutschland eingeführt wird.

Bislang kann das Erbgut des Ungeborenen nur durch invasive Methoden untersucht werden. Dabei wird eine Nadel in den Bauch der Mutter eingeführt, die kindliche Zellen aus den Vorläuferzellen der Plazenta, aus dem Fruchtwasser oder aus der Nabelschnur entnimmt. Diese Prozeduren erhöhen das Risiko einer Fehlgeburt um etwa ein Prozent.

Mehr über Nutzen und Risiken der gängigen vorgeburtlichen Untersuchungen erfahren Sie in diesem Überlick.

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