Süddeutsche Zeitung

Gesunde Lebensführung:So viel Stress war nie

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Der Lebensstil der Deutschen hat in Pandemiezeiten gelitten. Eine Krankenkassen-Studie fördert mehrere gesundheitliche Negativ-Rekorde zutage.

Die Deutschen verbringen einer Studie zufolge zu viel Zeit im Sitzen, werden immer träger und können Stress nicht ausreichend bewältigen. Nur noch jeder neunte Bürger - ein Tiefstand seit 2010 - führe einen rundum gesunden Lebensstil, was Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchen, Alkoholkonsum und Stresserleben angeht. Das geht aus dem DKV-Report 2021 hervor, den Studienleiter Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln und die Deutsche Krankenversicherung am Montag vorstellten.

Die Hochschule hatte im Auftrag des Versicherers die Daten von rund 2800 repräsentativ befragten Menschen ab 18 Jahren ausgewertet. Der seit 2010 zum sechsten Mal erstellte Report habe mehrere besorgniserregende Negativrekorde zutage gefördert, sagte DKV-Vorstandschef Clemens Muth.

Das gelte etwa für die Sitzzeiten: Die Deutschen verbringen werktags inzwischen im Schnitt 8,5 Stunden auf Stuhl oder Couch - eine Stunde mehr als noch 2018. Junge Erwachsene im Alter bis 29 Jahre sind demnach sogar "Sitzweltmeister" - mit 10,5 Stunden an Werktagen. Daran habe auch das Arbeiten im Homeoffice einen Anteil.

70 Prozent der Befragten sind mehr als 300 Minuten pro Woche körperlich aktiv. Das klingt zwar zunächst gut, 2010 kamen aber noch 83 Prozent auf diesen Wert. Dagegen folgt fast jeder Fünfte nicht einmal der Minimalempfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die 150 bis 300 Minuten Bewegung pro Woche vorsieht. Damit ist nicht unbedingt Sport gemeint, auch moderate Tätigkeiten im Alltag wie zügiges Gehen oder Gartenarbeit zählen dazu.

Eine positive Entwicklung hatte die Corona-Zeit allerdings: Fast jeder Zweite gibt an, in der Pandemie mehr Spazieren zu gehen. Froböse zufolge nimmt der Trend aber schon wieder ab. Die Politik habe Sport in der Corona-Krise "in die Ecke gerückt" und mit Blick auf Infektionsrisiken als gefährlich dargestellt. Das sei falsch gewesen und werde Spuren hinterlassen.

Frauen pflegen einen gesünderen Lebensstil als Männer

Rund 60 Prozent der Befragten finden keine Wege, um Stress zu reduzieren oder auszugleichen. Dies sei der bisher schlechteste Wert, mahnte der Sportwissenschaftler. Die Erschwernisse der Pandemie förderten den Stress, vor allem für Frauen. "Frauen sind im Vergleich zu Männern belasteter", erläuterte Froböse und verweist auf Kinderbetreuung und Homeschooling.

Eine gesunde Ernährung - gemessen an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung - schafft wie in den Vorjahren nur die knappe Hälfte der Deutschen. Fast jeder Fünfte trinkt zu viel Alkohol. Zur Zigarette greift nahezu unverändert knapp ein Viertel der Befragten.

Insgesamt führen Frauen häufiger als Männer ein gesundes Leben. 14 Prozent von ihnen kommen den Empfehlungen in allen Bereichen nach. Unter den Männern sind es nur neun Prozent. Die Menschen mit dem gesündesten Verhalten leben in Sachsen (18 Prozent), gefolgt von Hamburg, Brandenburg und Rheinland-Pfalz/Saarland. Bürger und Bürgerinnen in Nordrhein-Westfalen achten dagegen am wenigsten auf einen gesunden Lebensstil. Nur sieben Prozent halten sich an alle Richtlinien.

Auffällig stark klaffen die erhobenen Werte mit der Selbsteinschätzung der Befragten auseinander: Aktuell stufen unverändert 61 Prozent ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein. Nach Einschätzung von Muth ist diese krasse Diskrepanz auch ein Beleg dafür, dass viele Menschen kein ausreichendes Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil haben.

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