Süddeutsche Zeitung

Corona:Was über Todesfälle nach der Impfung bekannt ist

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Aus Norwegen und anderen Ländern wird von Menschen berichtet, die nach einer Corona-Impfung verstorben sind. Ein kausaler Zusammenhang zum Vakzin ist allerdings nicht belegt.

Von Werner Bartens

Die Gesundheitsbehörden in Norwegen haben derzeit viel zu tun. Das Land ist zwar größer als die Bundesrepublik, dort leben aber mit knapp 5,4 Millionen Einwohnern weniger Menschen als in Hessen. Aus dem dünn besiedelten Staat wurden kürzlich 23 Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegen Corona vermeldet. In einschlägigen Foren gelten diese Menschen als Beleg dafür, dass die Impfung des Teufels ist und mehr schadet als nutzt. Wegen des "internationalen Interesses", so norwegische Gesundheitsbehörden, wolle man Stellung nehmen.

"Tödliche Zwischenfälle unter älteren, sehr gebrechlichen Patienten in der Zeit nach der Impfung bedeuten nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung gegen Covid-19 und dem Tod gibt", sagt Sara Viksmoen Watle, zuständige Ärztin vom Folkehelseinstituttet, eine dem Robert-Koch-Institut ähnliche Einrichtung, die dem norwegischen Gesundheitsministerium unterstellt ist. Zum Zeitpunkt der Meldung vergangene Woche seien in Norwegen fast 44 000 Menschen geimpft worden, hauptsächlich Pflegeheimbewohner im Alter von über 85 Jahren. Inzwischen haben mehr als 50 000 Menschen das Vakzin erhalten, mehr als 99 Prozent ohne größere Probleme.

Anders als behauptet, hat Norwegen seine Impfstrategie nicht geändert

Um die Todesfälle einordnen zu können, müsse man das ganze Bild sehen, fordert Watle. Dazu gehöre, dass Heimbewohner ein stark erhöhtes Risiko für schwere Verläufe von Covid-19 haben und deswegen zuerst geimpft werden. "Ein großer Teil der Menschen in Pflegeheimen hat aber schwere Grunderkrankungen und befindet sich in der letzten Lebensphase", sagt die Ärztin. "Die Lebenserwartung dort ist relativ kurz; im Durchschnitt sterben in Norwegen jede Woche 300 Menschen in den Heimen." Die Todesfälle seien innerhalb von sechs Tagen nach der Impfung aufgetreten und würden untersucht. Bisher habe sich kein Hinweis auf einen Zusammenhang mit der Impfung finden lassen.

Anders als behauptet, hat Norwegen nach den Todesfällen nicht die bisherige Impfstrategie geändert. Schon zuvor wurden Ärzte dazu angehalten, individuell abzuwägen, ob schwer kranke Heimbewohner geimpft werden sollten. "Dies muss bei uns, wie auch in Skandinavien, diskutiert werden", sagt Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), auf Anfrage der SZ. "Es handelt sich allerdings um eine gelegentlich schwierige Frage der medizinischen und ethischen Abwägung von Nutzen im Einzelfall."

Weltweit sind etwa 40 Millionen, in Deutschland mehr als 1,2 Millionen Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (Pei) berichtet in seinem Sicherheitsbericht, der sich auf mehr als 610 000 Impfungen bezieht, von 325 gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Komplikationen, 51 davon schwer. Es gab sieben Todesfälle bei Patienten im Alter von 79 bis 93 Jahren, vier Frauen, drei Männer. "Bisher gibt es in keinem der gemeldeten Fälle einen kausalen Zusammenhang zur Impfung", sagt Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut. Auch in Norwegen sei ja "in keinem der Fälle ein kausaler Zusammenhang festzustellen" gewesen.

Bei den sieben Fällen aus Deutschland handelt es sich um schwer kranke alte Menschen

Leid und Tod statistisch einzuordnen, wird dem Einzelschicksal nie gerecht. Es kann aber helfen, die Impfung realistisch zu bewerten. "Die Berichte über Todesfälle sind betrüblich, aber nicht alarmierend", sagt Stiko-Vorsitzender Mertens. "Bei den sieben Fällen aus Deutschland handelt es sich um schwer kranke alte Menschen, bei denen vereinzelt akute Ereignisse kurz vor der Impfung hinzukamen." Die Geimpften hätten zuvor an Karzinomen, Niereninsuffizienz und Hirnentzündung gelitten. Bei dieser Gruppe von Menschen seien Todesfälle unabhängig von der Impfung nun mal leider möglich.

Auf schwere Nebenwirkungen angesprochen, sieht Mertens, dass der erste Sicherheitsbericht des Pei "nichts Unerwartetes ergeben" habe. "Die Rate und Art der gemeldeten unerwünschten Reaktionen entsprach etwa den Ergebnissen aus der Zulassungsstudie." Bei 17 Geimpften kam es zu schweren allergischen Reaktionen, bei dreien kam es zum Krampf, zwei hatten eine vorübergehende Lähmung des Gesichtsnervs. Aufgrund fehlender Informationen zu Grunderkrankungen seien die Meldungen schwer zu beurteilen.

Die Melderate schwerer unerwünschter Reaktionen betrug demnach 0,08 pro 1000 Impfungen, und von diesen Betroffenen war ein Großteil zum Zeitpunkt der Meldung bereits wieder genesen. "Allergien und 'Pseudoallergien' traten mit einer Häufigkeit von 1 pro 100 000 Impfungen auf, was dem international ermittelten Wert entspricht", sagt Mertens. "Alle diese Reaktionen konnten gut und erfolgreich behandelt werden." Das auslösende Allergen sei noch nicht genau bekannt, es könnte sich um das auch in Kosmetika enthaltene nicht toxische Polyethylenglykol (PEG) handeln. "Menschen mit Allergien gegen Kosmetika und andere Substanzen sollten dies bei der Impfung angeben", so Mertens. "Die Notwendigkeit zur Änderung der Impfstrategie ergibt sich aber nicht."

Hermann Schöberl hat als Leiter des Impfzentrums Erding bereits 2000 Impfungen betreut und bisher keinen allergischen Zwischenfall bemerkt. Keiner der Besucher, die zur Zweitimpfung kamen, hätte über ernsthafte Nebenwirkungen berichtet. Schöberl sieht daher "summa summarum eine exzellente Verträglichkeit".

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