Süddeutsche Zeitung

Atemwegserkrankungen:Nach der Hitze kommt die Krankheitswelle

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Von Werner Bartens

Gefühlt leben viele Menschen dieser Tage noch "immer am Strand / unter dem Blütenfall des Meeres", wie Konstantin Wecker das pralle, südliche Leben einst besungen hat. Der Sommer war wahrlich groß. In träger Erwartungshaltung und weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist, rechnet die aus dem Urlaub zurückgekehrte Bevölkerung daher mit weiteren Hitzerekorden und lauen Nächten - und nicht mit kalten Füßen, Raureif oder Bodenfrost. Nur besonders nüchterne Zeitgenossen haben bereits die Übergangsjacke oder gar Handschuhe herausgelegt, um dem jähen Wechsel der Jahreszeiten angemessen zu begegnen.

Die anderen leiden noch unter ihrem kalendarischem Jetlag, tragen trotzig ihre Sommergarderobe auf und die Sonne im Herzen - und verkühlen sich dabei wahlweise kniefrei oder kurzärmelig alles Mögliche. Das bleibt nicht ohne Folgen. Seit Ende August steigt der Anteil der Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen beständig an.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) erfasst Erkältungen und Husterei mit seinem Projekt Grippeweb, in dem die Quote der Menschen berechnet wird, die mit entsprechenden Symptomen den Arzt aufsuchen. Mittlerweile beträgt sie 5,7 Prozent. Anfang August lag sie bei 1,9 Prozent; doch der Anstieg im Spätsommer entspricht dem Verlauf der Vorjahre - empfindlich kühle Abende, aber auch leichtes Spiel für die Viren, etwa im Mikroklima Oktoberfest, mögen dazu beitragen.

Ältere können ihr Erkrankungsrisiko mit der Impfung halbieren

Zum Höhepunkt von Husten, Rotz und Schnieferei kommt es erfahrungsgemäß erst im Oktober und besonders im Februar und März, wenn bis zu zehn Prozent der Bevölkerung von akuten Atemwegsleiden betroffen sind. Der Anteil der echten Grippe darunter, die mit hohem Fieber, Gliederschmerzen und Erschöpfung einhergeht, steigt aber im Herbst nicht über zwei und im Frühjahr nicht über vier Prozent an. Unter Kindern bis 14 Jahren ist der Anteil fast doppelt so hoch.

"Die Grippeschutzimpfung wird für Oktober oder November empfohlen", sagt Susanne Glasmacher vom RKI. "Aber eine Impfung ist auch danach sinnvoll, selbst nach Beginn der Grippewelle." Die Impfung, die für Personen über 60, für chronisch Kranke, Schwangere und für Medizin- und Pflegepersonal empfohlen wird, bietet jedoch keinen vollständigen Schutz. "Ältere Menschen haben oft eine reduzierte Immunantwort, sodass die Impfung weniger zuverlässig wirkt", sagt Glasmacher. Je nach Saison werden ein Drittel, manchmal gar zwei Drittel der Erreger nicht durch den Impfstoff erfasst. "Dennoch können auch Ältere ihr Erkrankungsrisiko mit der Impfung halbieren", so Glasmacher. "Erkranken im Laufe einer Saison von hundert ungeimpften älteren Erwachsenen zehn an Grippe, sind es von hundert geimpften nur vier bis sechs."

Allerdings waren in der Saison 2016/17 nur 61 Prozent der Ärzte, ein Drittel des Pflegepersonals und 34 Prozent der Älteren geimpft. "Schutzmöglichkeiten müssen besser genutzt werden", mahnt RKI-Präsident Lothar Wieler. Neben der Impfung empfiehlt er gründliches Händewaschen mit Seife - sowie Abstand zu Erkrankten. Letzteres lässt sich besonders gut am Strand umsetzen, gerade in der Nebensaison.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2018
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