Süddeutsche Zeitung

Schulabbrecher:Nachhilfe für Arbeitslose

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Bundesarbeitsminister Scholz will Schulabbrechern das Recht auf einen Hauptschulabschluss einräumen. Noch ist unklar, wie die Kurse überhaupt finanziert werden sollen.

T. Öchsner

Ohne Schulabschluss geht in Deutschland heute fast nichts mehr. Wer die Schule ohne Zeugnis verlässt, läuft große Gefahr, arbeitslos zu werden. Das zeigt schon ein Blick auf die Statistik: Von etwa 400000 Arbeitslosen unter 25 Jahren waren im Jahr 2007 knapp 70000 ohne Abschluss.

Und von insgesamt knapp drei Millionen Menschen ohne Job hat etwa jeder sechste keinen Abschluss. Viel zu viele, meint Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Jeder müsse deshalb die Möglichkeit haben, sich "immer wieder neu auf den Hosenboden zu setzen", um einen Neustart zu schaffen.

Nun kann ohnehin jeder freiwillig noch einmal die Schulbank drücken. Scholz will arbeitslosen Abbrechern aber helfen, indem er ihnen einen Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss gewährt. Dabei will der Minister die Bundesagentur für Arbeit (BA) stärker heranziehen. Sie soll Fördermittel zur Verfügung stellen, sofern der Arbeitslose lernen will und an berufsvorbereitenden Bildungskursen teilnimmt.

So steht es in einem Gesetzentwurf für eine wirksamere Arbeitsmarktpolitik, zu dem sich an diesem Montag in Berlin Sachverständige in einer Anhörung äußern. Die Experten, deren Stellungnahmen bereits vorliegen, sind jedoch alles andere als begeistert von dem Vorstoß von Scholz.

Schwierige Finanzierung

Es geht dabei auch ums Prinzip: Warum, so moniert etwa die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, solle die Arbeitslosenversicherung mit dem Geld der Beitragszahler das Nachholen eines Hauptschulabschlusses bezahlen? Dies sei eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" und Sache der Länder.

Genauso sieht es die Bundesagentur selbst, die eine Finanzierung aus Beitragsmitteln für "systemwidrig" hält und mit Mehrkosten von jährlich mehr als 100 Millionen Euro rechnet. Nun soll die BA zwar nach dem Willen von Scholz bei den Ländern Geld für die Bildungskurse eintreiben. Doch das ist ein "stumpfes Schwert" meint der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), weil die Arbeitsagenturen die Länder nicht zum Zahlen zwingen könnten.

Sozialverbände bezweifeln außerdem, ob die von den Arbeitsagenturen geförderten Kurse wirklich geeignet sind, um arbeitslose Schulabbrecher für das Nachholen des Hauptschulabschlusses vorzubereiten.

So merkt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege an, "dass vor allem junge Menschen mit multiplen Problemlagen nicht in der Lage sind, die von der Bundesagentur für Arbeit vorgegebenen Fördersequenzen zu durchlaufen". Die Angebote müssten individueller sein. Die Jugendlichen benötigten zudem eine sozialpädagogische Betreuung.

Trotz der Kritik dürfte Scholz am geplanten Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss für Arbeitslose festhalten. Für den Minister ist dieses Vorhaben auch ein Prestigeobjekt. Das Thema Bildung will der SPD-Politiker nicht alleine der Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) überlassen.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2008/heh
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