Süddeutsche Zeitung

Religionsfreiheit:Kramp-Karrenbauer hält Debatte über Kopftuchverbot an Schulen für berechtigt

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Nach dem Kopftuchverbot für Grundschülerinnen in Österreich dringt die Debatte darüber auch nach Deutschland. Mehrere Unionspolitiker lassen bereits die Chancen für ein solches Verbot prüfen, doch selbst in der CDU halten manche das für aussichtslos. Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer findet es zumindest sinnvoll, die Debatte zu führen. "Kopftücher im Kindergarten oder in der Grundschule haben mit Religion oder Religionsfreiheit nichts zu tun, das sehen auch viele Muslime so", sagte die Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Sie halte deswegen die Debatte, ob man Kopftücher dort zulasse, für absolut berechtigt.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Alexander Lorz, hingegen ist skeptisch. "Wenn sich Eltern auf die Freiheit der Religionsausübung berufen, hat unser Rechtsstaat wenig Handlungsmöglichkeiten", sagte der hessische CDU-Kultusminister den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. "Ein gesetzliches Verbot dürfte vor dem Verfassungsgericht daher kaum bestehen."

Grundsätzlich sieht Lorz das Kopftuch im Unterricht allerdings kritisch: "Aus pädagogischen und integrativen Gesichtspunkten muss man das Tragen eines Kopftuches im Grundschulalter, zumal es der Islam auch nicht vorsieht, ablehnen." Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Wir müssen alle Mädchen darin stärken, zu selbstbewussten und unabhängigen Frauen heranzuwachsen. Ich habe Zweifel, ob eine Verbotsdebatte da hilft".

Die Vorsitzende des Grundschulverbandes, Maresi Lassek, hält ein Kopftuchverbot für "nicht angemessen und auch nicht für durchsetzbar". Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte sie, sie rate eher dazu, mit Eltern und Kindern im Gespräch zu sein. Kopftücher an Grundschulen kommen Lassek zufolge insgesamt eher selten vor. In Ballungsräumen mit vielen muslimischen Kindern gebe es sie aber häufiger. Genaue Zahlen gibt es dazu nicht.

Fehlende Zahlen über kopftuchtragende Kinder - Islamrat findet Debatte "diskriminierend und unnötig"

Der Vorsitzende des Islamrats - einer der islamischen Dachverbände in Deutschland - bezeichnet die Diskussion als diskriminierend und unnötig. Die Verbotsbefürworter müssten selbst immer wieder einräumen, dass es keinerlei Fakten über kopftuchtragende Kinder an Schulen gebe, sagte Burhan Kesici. "Eine überflüssige Phantomdebatte wird immer wieder aufgerührt."

Mehrere Unionspolitiker lassen ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren bereits juristisch prüfen, um ein entsprechendes Gesetz vorzulegen. Beteiligt ist unter anderem der stellvertretende Unionsfraktionschef Carsten Linnemann (CDU). Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier verweist trotz der rechtlichen Bedenken darauf, dass das ein Thema sei, das die Bevölkerung bewege. "Und wir sind gut beraten, solche Themen aufzunehmen", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Hintergrund der neu aufgeflammten Debatte in Deutschland ist eine Entscheidung in Österreich. Das Parlament in Wien hatte vor wenigen Tagen ein Kopftuchverbot an Grundschulen beschlossen.

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