Süddeutsche Zeitung

Integrationskurse für Migranten:Lernen schwer gemacht

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Von Roland Preuß, München

Diese Integrationskurse für Migrantinnen sind eine gute Sache, das findet auch das Bundesinnenministerium. Bildungsferne Frauen sollten so "aus ihrer Isolation geholt" und zu weiteren Integrationsmaßnahmen "ermutigt" werden, sie dienten dazu, die Erziehungskompetenz zu "stärken" und sollen Gewalt vorbeugen, schreibt das Ministerium in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen im Bundestag.

Passen eigentlich gut, solche Kurse, in Zeiten, da Deutschland als zweitgrößtes Einwanderungsland nach den USA gilt, da mehr als 200 000 Asylbewerber im Jahr kommen - und Zehntausende als Ehepartner aus dem Ausland. Da passt nur eins nicht ins Bild: Die große Koalition hat die Mittel gekürzt, es gibt 2015 gerade einmal 600 000 Euro, das ist nur ein Drittel dessen, was vor zwei Jahren für die Kurse investiert wurde.

Die Folgen lassen sich gut in Zahlen fassen: Es gibt immer weniger Kurse, 2012 waren es noch fast 2100, im vergangenen Jahr nur noch 975. Sie sind ein maßgeschneidertes Angebot für Frauen, die keine Berufs- oder Schulausbildung in Deutschland haben, im Bürokratendeutsch: "Lernungewohnte". Ihnen soll in 20 Unterrichtsstunden das Lernen und die Integration nähergebracht werden.

Mehr Zuwanderer aber weniger Beraterstellen

Die Frauenkurse sind nicht die einzigen Angebote, die unter der Sparpolitik von Union und SPD leiden, wie eine weitere parlamentarische Anfrage der Grünen zeigt. Bei den frühen Angeboten für Migranten läuft es ähnlich: Die sogenannte Migrationsberatung soll Einwanderern frühzeitig den Weg zu einer Integration in Deutschland weisen, es werden Vereinbarungen geschlossen, die Aufgaben und Ziele festhalten, denn der Weg durch die deutsche Bürokratie ist für Migranten mitunter mehr als unübersichtlich. Im Koalitionsvertrag hatte man noch vereinbart, dass alle Neuzuwanderer eine solche "Erstberatung" erhalten sollen - doch auch hier fehlt offenbar das Geld.

Die Zahl der Beraterstellen ist in den vergangenen fünf Jahren sogar geschrumpft, auf weniger als 500, obwohl die Bundesrepublik mittlerweile die größte Zuwandererzahl seit 20 Jahren zu bewältigen hat. Rein rechnerisch hat jeder Berater mittlerweile 300 Fälle im Jahr zu betreuen, vorgesehen waren einmal 60. In den Anlaufstellen werde "deutlich mehr Beratungsarbeit geleistet", räumt auch das Innenministerium ein. "Qualitätsverluste können nicht ausgeschlossen werden." Immerhin, die Haushälter haben für 2015 acht Millionen Euro mehr bewilligt, das sind etwa 30 Prozent Zuwachs. Auch bei den normalen Integrationskursen hat die Koalition draufgelegt.

Dennoch viel zu wenig, findet der Innenexperte der Grünen, Volker Beck. "Die Zahl der Beratungsfälle stieg um 60 Prozent, doch die Bundesregierung streicht die zur Durchführung notwendigen Personalstellen", sagt er. Es sei "mehr als absurd", dass die Regierung bei steigenden Zuwanderungszahlen ausgerechnet bei niedrigschwelligen Frauenkursen kürze. Die Union betone regelmäßig, dass Deutschkenntnisse die Basis für eine erfolgreiche Integration seien und kürzt gleichzeitig ausgerechnet die Mittel für Frauen. "Nicht die Migrantinnen und Migranten verweigern sich den Integrationsangeboten, sondern die Bundesregierung."

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SZ vom 27.02.2015
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