Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge:"Wir leben in einer neuen Gesellschaft"

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Von Johann Osel

Die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Bremens Senatorin Claudia Bogedan, sieht die Integration von Flüchtlingskindern als größte schulpolitische Herausforderung 2016 - und will Erfahrungen mit Migrantenkindern aus ihrem eigenen Bundesland in die Ministerrunde einbringen. "Die aktuelle Zuwanderung durch Flüchtlinge ist eine Aufgabe für die gesamte Bundesrepublik. Da kann gerade ein Land wie Bremen als gutes Beispiel wirken und zeigen, wie man zu einer gelingenden Integration beitragen kann", sagte die SPD-Politikerin im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

50 Prozent der Kinder, die in der Stadtgemeinde Bremen eingeschult werden, hätten einen Migrationshintergrund. "Klassenzimmer sind immer so bunt und heterogen wie die Gesellschaft, auch schon vor den aktuellen Geflüchteten. Soziologen finden da ja immer spannende neue Begriffe", sagte Bogedan. "Ich glaube: Wir leben mittlerweile in einer neuen Gesellschaft. Das erfordert von der Schule eine ständige Anpassungsleistung."

Bremen habe zum Beispiel die Orientierung der Lehrerausbildung an der Verschiedenartigkeit von Kindern schon umgesetzt - ein Vorhaben, zu dem sich alle Mitglieder der Kultusministerkonferenz (KMK) verpflichtet haben. "Vielleicht kann es zu gemeinsamen Modulen im Studium kommen." Außerdem gebe es konkrete Erfahrungen etwa bei der Sprachförderung, in Bremen habe sich gezeigt, "welche Konzepte fruchten und welche nicht so passend sind".

Digitalisierung in den Schulen soll bei der Integration helfen

Zugleich sei eine gemeinsame bundesweite Strategie zu Flüchtlingskindern in den Schulen schwierig: "Die einen Länder haben noch eine demografische Rendite, da die Zahl der Kinder zurückgegangen ist. Die Schulen sind nicht mitgeschrumpft - da gibt es Puffer für Neuankömmlinge. Andernorts sind Kommunen gewachsen und bekommen neue Schüler obendrauf. In dieser Spannbreite verbietet es sich, die eine Lösung für alle schaffen zu wollen." Aber man werde unter ihrer Leitung in diesem Jahr über zentrale Aufgaben reden: "Es geht sicher nicht darum, dass alle Länder die gleichen Willkommensklassen bieten - wir brauchen übergreifende Initiativen, die jetzt schnell ausgebaut werden sollen. Auch bestehende, wie das Bund-Länder-Programm für Sprachlern-Kitas." Einen weiteren Schwerpunkt, den die 40-Jährige in der KMK setzen will, ist die Digitalisierung in den Schulen.

Etwa 300 000 schul- und berufsschulpflichtige Flüchtlinge sind 2015 nach Deutschland gekommen, so lauten Schätzungen, wenn man die bisherige Altersstruktur von Asylbewerbern zugrunde legt. Bundesweit gibt es Unterschiede, wann der Schulbesuch vorgesehen ist; in den meisten Ländern ist das nach drei Monaten in Deutschland der Fall oder sobald die Erstaufnahmeunterkunft verlassen wird, teils auch erst nach einem halben Jahr. Einige wenige Länder machen bereits in der Erstaufnahme Schulangebote.

Bremen hat die höchste Armutsquote der Republik

Es war nicht nur ein neues Gesicht, das Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) im Sommer präsentierte - auch ein verändertes Ressort. Claudia Bogedan ist seitdem Senatorin für Kinder und Bildung, ihr wurden also auch Teile der Sozialpolitik zugeschlagen.

Bremen hat die höchste Armutsquote der Republik. Die Schüler sind bei Leistungsvergleichen meist Letzter - mit mehr als einem Jahr Rückstand in Deutsch und Mathe zu Spitzenreitern wie Sachsen und Bayern. Bogedan erklärte im Interview diesen Rückstand auch mit der Schülerschaft in Bremen, konkret: "die immer noch starke Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg, vor allem im Zusammenhang mit Migration". Nun übernimmt Bremen für ein Jahr die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz, und Bogedan, obwohl relativ neu im Amt, kann auch auf überregionaler Bühne eigene Akzente setzen. Die Sozialwissenschaftlerin hat zuvor bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf gearbeitet, in Bremen 2009 promoviert. Sie war Vizechefin der Jusos im Bund und ist Mitglied der SPD-Grundwertekommission.

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