Süddeutsche Zeitung

Debatte um Schulschließung:Jetzt alle aufpassen

Lesezeit: 2 min

Noch scheuen die Länder davor zurück, wegen des Corona-Virus im großen Stil Schulen zu schließen. Das könnte sich aber rasch ändern, vielleicht schon diesen Freitag. Derweil verschieben Hochschulen den Semesterstart - und prüfen sogar Online-Klausuren.

Von Susanne Klein und Bernd Kramer

Nein, eine Schließung aller Schulen stehe nicht zur Debatte, wurde Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) noch am Donnerstagmorgen zitiert. Doch da hatte die Dynamik der Corona-Epidemie sie schon überholt. Die Kultusminister der Länder würden bei ihrem Treffen am Donnerstag sehr wohl über generelle Schulschließungen diskutieren, kündigte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Stefanie Hubig, im ZDF-Morgenmagazin an.

Allerdings war die rheinland-pfälzische SPD-Ministerin da noch der Auffassung, Schulen flächendeckend zu schließen, sei nicht sinnvoll. Wie schnell so ein Momenteindruck Geschichte sein kann, lehrte sie dann das Coronavirus. "Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es zu weitreichenden Schulschließungen kommen kann", korrigierte sich Hubig am späten Nachmittag, als die KMK ihr Plenum unterbrach, um die Öffentlichkeit zu informieren. Zu dieser Stunde war schon durchgedrungen, dass die Stadt Halle von Freitag an alle Schulen und Kitas zusperrt, und dass Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen am Freitag gar über landesweite Schließungen ihrer Schulen entscheiden wollen. Weitere Länder könnten folgen, in Nordrhein-Westfalen etwa fordern Eltern- und Lehrerorganisationen, den Unterricht einzustellen - so wie es in etwa einem Drittel der EU-Staaten bereits der Fall ist.

Die Lage hat sich gedreht. Bislang waren bei den 43 000 Schulen in Deutschland nur per Einzelfallentscheidung Tore verriegelt worden, durch die Gesundheitsämter an Ort und Stelle. Bis Montag summierte sich die Zahl der Schulen, die so geschlossen wurden, auf etwa 150. Aktuellere Übersichten fehlen, doch seither sind weitere Schulen geschlossen worden, andere gaben Entwarnung und öffneten wieder. Dabei fordern Bildungs- und Gesundheitsexperten angesichts der Ausbreitung des Coronavirus längst das Gegenteil: eine bundesweit einheitliche Regelung. Ob es sie geben wird, ist noch ungewiss.

Die KMK betonte am Donnerstag die regional unterschiedlichen Gefährdungslagen. Aber alle Länder seien sich darin einig, "dass es vernünftig war und weiterhin vernünftig sein wird, den Rat der Gesundheitsexperten, insbesondere des Robert-Koch-Instituts, als Leitlinie für unsere Handeln anzusehen", sagte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, der in der KMK für die SPD-regierten Länder spricht. Eins steht immerhin schon fest: Solange es bei den Einzelprüfungen der Gesundheitsämter bleibt, wollen alle Länder Klassenfahrten ins Ausland untersagen. Auch Ausflüge, große Aufführungen und Sportfeste soll es nicht geben. Schul- und Kitaschließungen im größeren Stil will man mit Notfallbetreuungsmöglichkeiten abfedern, damit Eltern, etwa Ärzte und Pflegekräfte, weiter zur Arbeit gehen können. Auch das Abitur war Thema. Müssen Abiturprüfungen verspätet abgehalten werden, wollen die Länder die Zulassungsverfahren der Hochschulen so staffeln, dass Abiturienten trotzdem im Herbst ein Studium aufnehmen können. Genau durchdacht ist das alles freilich noch nicht. "Man muss sagen, dass wir bei vielen Fragen noch am Anfang stehen", sagte Rabe.

Auch die Universitäten und Fachhochschulen wappnen sich für den Umgang mit der Pandemie. Im Moment ist vielerorts noch vorlesungsfreie Zeit, große Lehrveranstaltungen finden daher nicht statt. Berlin, Bayern und Baden-Württemberg haben die Semesterferien der Fachhochschulen nun aber vorsorglich verlängert, der Lehrbetrieb geht wie an den Universitäten erst am 20. April los. Die Uni Mannheim, wo schon seit Februar wieder Vorlesungen liefen, unterbrach am Donnerstag auf Weisung des Wissenschaftsministeriums den Lehrbetrieb. Die Hochschulrektorenkonferenz mahnte im Handelsblatt ein bundesweit einheitliches Vorgehen an.

In Berlin sollen Klausuren jetzt am Computer geschrieben werden - daheim

Andere Unis denken über Alternativen zur Präsenzlehre nach. Die Uni Kiel, wo der Vorlesungsbetrieb Anfang April starten soll, erwägt, große Veranstaltungen digital abzuhalten. Die Technische Universität in Berlin will sogar Prüfungen online abwickeln. "Wir bauen dabei auf die Ehrlichkeit der Studierenden", erklärt Hochschulpräsident Christian Thomsen. Natürlich gebe es für die Uni keine absolute Sicherheit, dass nicht Freunde oder Eltern die Klausuren am Computer schrieben. "Aber auch bei normalen Klausuren wird geschummelt."

Zuvor hatte die Uni bereits Konferenzen und Tagungen bis Juli abgesagt und Bibliotheken und PC-Pools auf dem Campus geschlossen - auf unbestimmte Zeit. Gut 1000 Studierende nutzen täglich die Bibliothek. Insgesamt sind an der Hochschule 35 000 Menschen eingeschrieben, drei Corona-Infektionen wurden bislang bestätigt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4842280
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.03.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.