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Bildungsgerechtigkeit:Jeder dritte Schüler hat ausländische Wurzeln

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Von Susanne Klein, München

Die Bevölkerungsvielfalt in Deutschland prägt die Gesellschaft nirgendwo so stark wie in der Schule: Jeder dritte Schüler hat einen Migrationshintergrund, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung haben 17,1 Millionen Menschen, das entspricht nur 21 Prozent, mindestens einen Elternteil, der die deutsche Staatsangehörigkeit nicht von Geburt an besitzt - so wird Migrationshintergrund definiert. Die Vielfalt im Schulwesen ist aber ungleich verteilt, so die Daten aus 2015. Im Osten haben zehn Prozent der Schüler ausländische Vorfahren. Im Westen und in Berlin sind sie zu 36 Prozent in den Klassenzimmern vertreten.

Ob Ganztagsschulen wirklich die Lösung sind, ist umstritten

Die Frage, wie gerecht die Bildungschancen für diese Kinder und Jugendlichen sind, bewegt Pädagogen seit mindestens 16 Jahren. Damals hatte die erste Pisa-Studie nicht nur das Leistungsniveau der Schüler Deutschlands, sondern auch ihre Chancengleichheit mit miserablen Noten bedacht und dadurch Reformen angestoßen - mit Erfolg. Doch der positive Schub im Schulwesen habe sich längst wieder abgeschwächt, kritisierte unlängst der Koordinator der Pisa-Studie, Andreas Schleicher. Auch der Sozialverband AWO fordert neue Anstrengungen. Neben mehr Schulsozialarbeit und interkultureller Öffnung empfiehlt der Vorsitzende Wolfgang Stadler der heutigen Einwanderungsgesellschaft den "Ausbau der Ganztagsschulen".

Ob das wirklich hilft, ist umstritten. Der Kinder- und Jugendbericht des Deutschen Jugendinstituts von vergangener Woche attestierte den Ganztagsschulen zwar einen Zuwachs von 5 000 auf 16 500 (zwischen 2012 und 2014), aber nur mäßige Effekte: Die Ganztagsschule sei "noch nicht in der Lage, herkunftsbedingte Ungleichheiten in der Bildungsförderung abzubauen". Keine Absage an die Ganztagsschule generell, aber ein Hinweis, dass Chancen nach Meinung von Experten nicht nur von der Länge des Schultags abhängen.

Bildungsgerechtigkeit stark abhängig von der Schulform

Allerdings kann Bildungsgerechtigkeit stark von der Schulform abhängen. Denn je heterogener die Schülerschaft ist, desto schwerer fällt es Lehrern, jeden einzelnen nach seinen Möglichkeiten zu fördern. Während an Hauptschulen im Schnitt jeder Zweite aus einer Einwandererfamilie stammt, ist es am Gymnasium nur jeder Vierte. Zwar wurden 69 Prozent der Schüler in Deutschland geboren und haben keine eigene Migrationserfahrung, doch Studien zeigen: Selbst die Kinder der Kinder von Zuwanderern haben großen Aufholbedarf. So liegen Neuntklässler in den Naturwissenschaften um mehr als zwei Jahre zurück, und in Mathematik trennt bereits die Viertklässler ein Jahr von Kindern ohne Migrationshintergrund.

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Quelle:
SZ vom 08.02.2017
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